SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Jeden Morgen beginne ich den Tag mit unzähligen Routinen. Noch im Halbschlaf wanke ich ins Bad, putze die Zähne, dusche mich, ziehe mich dann an und mache Frühstück. Ich muss gar nicht hingucken, die Handgriffe sitzen. Selten weiche ich ab von dieser Routine. Vielleicht am Wochenende einmal. Die meisten Menschen machen das ähnlich. Egal ob sie arbeiten oder schon im Ruhestand sind, ob sie große, kleine oder keine Kinder haben, ob sie alleine leben oder mit anderen zusammen. Der Start in den neuen Morgen verläuft meist so, wie der Start in den gestrigen Morgen und den davor.
Ganz ähnlich ist es für viele mit dem Glauben. Auch hier bestimmen Gewohnheiten das Bild - quer durch die Religionen. Bei vielen Christen gehören bis heute die Eiersuche zu Ostern und die Geschenke zu Weihnachten dazu. Das Ende des Ramadans wird bei vielen Muslimen immer gleich gefeiert. Und die jüdischen Feste verfügen über feste Rituale. Solche Riten und Gewohnheiten sind gut. Sie geben Sicherheit. Sie garantieren, dass ein Fest gelingt.  Manchmal aber wird darüber vergessen, dass Glaube sich gegen die Routinen sträubt. Dass Glaube Aufbruch heißt. Gerade im Christentum zeigt sich das deutlich.
Aufbruch, das Sich-auf-den-Weg-Machen, ist eines der zentralen Themen der Geschichte Jesu. Das fängt an Weihnachten an. Hier bricht Gott auf zu den Menschen, indem er selbst Menschen wird. Gott hält es sozusagen im Himmel nicht mehr aus, macht sich auf, um auf der Erde zu landen. Auch Maria und Josef brechen auf, Richtung Betlehem, verlassen ihre Heimat, verlassen, was ihnen lieb und teuer ist. Und später ist es Jesus selbst, der aufbricht. Selten bleibt er länger an einem Ort. Mehrmals zieht er mit seinen Freunden nach Jerusalem. Schließlich sind es nach seinem Tod seine Freunde, die aufbrechen. Sie erzählen in der ganzen Welt weiter, was sie erlebt und erfahren haben mit diesem Jesus. Der Glaube lässt sich nicht in Ruhe. Er drängt sie, aufzubrechen. Ihnen folgen immer wieder Menschen nach, die ihre gewohnten Lebensbahnen verlassen. Die sich auf diesen Glauben an einen liebevollen Gott verlassen - und sich auf den Weg machen. Auf den Weg zu anderen Menschen. Und die dabei ein neues, reiches Leben finden.
Was mich dabei besonders fasziniert: Diese Geschichten erzählen von Menschen, die mit der Routine ihres Lebens brechen. So ganz anders, als ich, der ich Morgen für Morgen und Tag für Tag vielfach auf Routinen und Gewohnheiten zurückgreife. Und ich hoffe, dass ich den Aufbruch, der mit dem Glauben einhergeht, auch für mich trotz aller Routinen entdecken kann.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13718
weiterlesen...