SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Was bringt eigentlich Glaube? Manche halten diese Frage für unzulässig. Glaube ist doch nichts, was einem etwas bringt! Glaube darf nicht nach Nutzen und Leistung gemessen werden, sagen sie. Eine sympathische Haltung. Heute muss nämlich fast alles etwas bringen. Fast alles dient nur Zwecken. Ich rede mit jemandem, weil er mir eine Information geben kann. Ich habe mit jemandem zu tun - damit der mich unterstützt. Und so weiter. Dass etwas ohne Zweck geschieht, einfach nur, weil es schön ist, gut tut, das gibt es nur selten.
Aber das Leben wird reicher durch all die Dinge, die nichts bringen. Die Sonne am Abend versinken zu sehen, das bringt so gesehen nichts. Verliebt zu sein bringt auch nichts. Die Vögel singen zu hören - zwecklos. Ein Spiel spielen um des Spielens willen, auch das bringt nichts. Und trotzdem: ich will auf all das nicht verzichten. Ich brauche das zum Leben, die vielen Dinge, Situationen, Menschen, die mir nicht direkt etwas bringen. Auch der Glaube gehört zu diesen zweckfreien Aspekten des Lebens. Ähnlich wie die Liebe. Liebe ist da, macht mich lebendig, verändert mich, bringt neue Saiten in mir zum Klingen. Es geht nicht darum, was sie bringt, sondern was sie mit mir macht. Ähnlich ist es mit dem Glauben. Aber wenn Glaube ‚zwecklos' ist, wofür ist er dann da? In den Ferien habe ich das ganz hautnah gespürt. Wir waren ein paar Tage mit dem Fahrrad unterwegs. In Norddeutschland. Fast 100 Kilometer sind wir jeden Tag gefahren. Das Wetter war meistens gut, die Fahrradwege ließen sich auf Anhieb finden, es war alles super ausgeschildert. Und das Beste: Fast die ganze Strecke hatten wir Rückenwind. Manchmal nur ein bisschen, manchmal etwas mehr. Und immer hat es meinen Tritt leichter gemacht. Sicher: in die Pedale treten musste ich immer noch. Und am Ende jeder Tour waren meine Beine ziemlich wackelig. Aber ich hab mich unterstützt gefühlt. Durch den Rückenwind. Wie wichtig der ist, konnten wir an einem Tag erfahren. Da hatte nämlich der Wind gedreht. Wir kämpften uns vorwärts. Jeder Tritt fiel schwer. Für mich haben der Rückwind und der Glaube viel gemeinsam. Glaube, das ist für mich der Rückenwind durchs Leben. Leben muss ich selbst. Das nimmt mir keiner ab. Und ich muss selbstständig meinen Weg durchs Leben finden. Aber der Glaube an einen Gott, der mich begleitet, der tut gut - wie Rückenwind auf dem Fahrrad. Dieser Glaube lässt mich weiter durchs Leben gehen, er schiebt mich an. Lässt mich mein Leben immer wieder neu leben, jeden Tag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13716
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