SWR2 Wort zum Tag

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Feueralarm. Das erste Mal in meinem Leben habe ich echten Feueralarm erlebt. Ich hatte etwas zu erledigen in dem Bürogebäude, plötzlich ertönt ein Heulen. Wie von einer Diebstahlanlage bei einem Auto. Erst konnte ich das gar nicht einordnen. Dann aber strömten viele Menschen  ins Treppenhaus Richtung Ausgang. Der Ruf „Feueralarm" macht die Runde. Und dann stehe ich schon auf der Straße - in einer großen Menschentraube. Unten im Haus ist ein Supermarkt untergebracht. Darüber ein Fitnessstudio, Arztpraxen, ein Fortbildungsunternehmen, Büros. Und so stehen plötzlich Angestellte in Anzug und Krawatte, Verkäufer in ihrer Dienstkleidung, Sportbegeisterte in T-Shirts und Turnschuhen und ein Ärzteteam in weißen Kitteln bunt gemischt auf dem Bürgersteig - und warten. Alle sind verunsichert. Fehlalarm? Aber die Feuerwehr kommt mit Blaulicht, stürmt ins Haus. Unterdessen holen sich einige bei einem nahe gelegenen Bäcker einen Kaffee. Ich komme mit einer Frau ins Gespräch. Sie kämmt sich die nassen Haare. Als der Feueralarm losging, stand sie unter der Dusche. Dann verlässt die Feuerwehr wieder das Haus. Es gibt die erhoffte Entwarnung. Die Gruppe löst sich auf, jeder geht seiner Tätigkeit nach.
Nachher wurde mir klar: Mit dem Alarm hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Beim Fahrradfahren bin ich vorsichtig, passe mich dem Verkehr an. Auf dem Bahnsteig halte ich immer Abstand von den Gleisen. Beim Rechtsabbiegen gucke ich immer zweimal. Aber in einem normalen Bürogebäude, da habe ich mich bisher sicher gefühlt. Hier habe ich mich völlig unbeschwert verhalten.
Der Feueralarm hat mich aus diesem Glauben gerissen. Hat mir deutlich gemacht: Das Leben ist gefährdet. Sicher, zum Glück war nichts. Aber das ist ja nicht immer so. Plötzlich kann das Leben in Gefahr sein. Auch dort, wo ich mich eigentlich völlig sicher fühle. Aber kann ich leben mit dem ständigen Wissen um die Gefahr? Ich merke, dass ich zwei Aspekte des Lebens in eine Balance bringen muss. Das eine ist das Wissen: Leben kann jederzeit zu Ende sein. Ich kann aufpassen, wie ich will, trotzdem komme ich an der grundsätzlichen Sterblichkeit nicht vorbei. Ein Beispiel: Wenn ich auf der Autobahn aufpasse, kann mir niemand garantieren, dass mich nicht doch ein anderes Auto erwischt. Es liegt nicht in meiner Hand. Das andere aber ist die Erkenntnis: Ich kann nur leben aus der Hoffnung, dass dieser Augenblick, den ich gerade erlebe, eben nicht mein letzter ist. Dass ich weiterleben darf. Sterben zu müssen und weiterleben zu dürfen - daran hat mich der Feueralarm erinnert

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