Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Auf der Rückfahrt aus dem Urlaub habe ich alles erlebt, was liebe Verkehrsteilnehmer zu bieten haben: Auf der Autobahn konstant links oder auf der mittleren Spur fahren; kilometerlanges Elefantenrennen; rechts überholen; drängeln. Selbst LKWs scherten ohne Blinken direkt vor mir zum Überholen aus, als ich gerade auf der Überholspur ankam. Gefährliche Überholmanöver auf der Bundesstraße, bei denen alle Verkehrsteilnehmer in die Eisen steigen mussten, damit der Raser ohne Unfall durchkommt. 
Ich bin gut nach Hause gekommen. Aber es war anstrengender, als es hätte sein müssen. Weil immer mehr Konzentration gefordert ist, wenn es gut gehen soll. Es wundert mich nicht, dass pro Jahr im Straßenverkehr 2,3 Millionen Unfälle passieren. 2011 gab es wieder fast 4000 Verkehrstote. 
Wo muss man ansetzen, damit sich das ändert? Die Antwort eines Verkehrsfachmanns fiel ganz klar aus: ‚Der Verkehr ist ein System auf Gegenseitigkeit. Und das kann mit der Haltung „nur Ich!" nicht funktionieren.' „Uns fehlt die Empathie." 
Der Verkehrsmanager verdeutlicht es an einem Beispiel: „Wenn ich nicht blinke, wenn ich aus dem Kreisverkehr rausfahre, dann weiß der andere nicht, dass er in den Kreisverkehr reinfahren kann." ‚Und die Kapazität des Kreisels kann nicht ausgenutzt werden - der Verkehrsfluss stockt, und alle kommen langsamer vorwärts.' ‚Es fehlt an Empathie.' 
Empathie ist mehr als Rücksicht. Es bedeutet, dass ich mich in den anderen hineinversetze. Dass ich vom anderen Verkehrsteilnehmer her denke, von dem her, was für ihn wichtig ist, was ihm gut tut. Also überhole ich nicht, wenn der andere dann Angst bekommen könnte, dass es zu knapp wird - auch wenn ich mit meinen 177 PS noch locker vorbeikäme. Also blinke ich frühzeitig, damit der Nachfolgende sich gut darauf einstellen kann, dass ich abbiege. 
Das ist eine Frage der Haltung. Die kann man einüben, und dann geht das fast wie von selbst - und alle haben etwas davon. Der Volksmund sagt: „Was Du nicht willst, das man Dir tu', das füg' auch keinem andern zu." Positiv formuliert es Jesus in der Bergpredigt: „Alles, was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihnen." (Mt 7,12) Diese Gesinnung würde auch dem Straßenverkehr gut tun.  

Das Zitat und die Sachinformationen stammen aus dem Artikel von Prof. Dr. Christoph Hupfer (Dekan der Fakultät "Informationsmanagement und Medien" mit dem Studiengang "Verkehrssystemmanagement" an der Hochschule Karlsruhe) in "Die Rheinpfalz am Sonntag" vom 8. Juli 2012, Seite 5.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13704
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