SWR2 Wort zum Tag

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Nicht Seebestattung, sondern Bestattung auf dem Seeweg. Davon erzählt die Legende des Apostels Jakobus. Jakobus hat nach dem Tod Jesu eifrig und erfolgreich in Jerusalem  gepredigt. Deshalb ließ ihn König Herodes enthaupten. Seine Freunde haben heimlich den Leichnam gestohlen und auf ein Schiff gebracht. Dann haben sie Gott gebeten, einen Bestattungsort auszusuchen, sind selber mit ins Schiff gestiegen und haben das Schiff einfach den Wellen überlassen, ohne zu steuern. Schließlich sind sie, geleitet von einem Engel, in Galicien gelandet, im heutigen Spanien. Sie luden den toten Jakobus auf einen Ochsenkarren. Wo die Ochsen anhielten, haben sie Jakobus schließlich bestattet. So erzählt es die Legende. Das Grab des Jakobus wurde zum Ziel eines der wichtigsten Pilgerwege in Europa: Santiago de Compostela. Er fasziniert Menschen, die ihn gehen, und auch viele, die sich davon erzählen lassen.
Jakobus war also der Legende nach selbst als Toter noch unterwegs, hat noch einen weiten Weg zurückgelegt. Als wollte er es den unzähligen Menschen vormachen, die seit dem frühen Mittelalter nach Santiago gepilgert sind, aus vielen Orten des Abendlandes. Menschen unterwegs, Aussteiger, fromme und weniger fromme, suchende Menschen, Bischöfe und Könige, und auch Verfolgte und Verbrecher. Im Mittelalter war es nämlich durchaus üblich, Verbrechern eine Pilgerfahrt nach Santiago als Buße aufzuerlegen. Manche Pilger hofften, unterwegs von einem seelischen Schmerz zu genesen, wieder andere flohen vor einer Seuche.
Bis heute hat es einen bemerkenswerten Reiz, sich auf diesen Weg zu machen. Es gibt feste Pilgerwege nach Spanien, gesäumt von Kirchen und Herbergen. Auch in Südwestdeutschland hat man in den vergangenen Jahren immer mehr Teilstücke alter Pilgerwege wiederentdeckt, zum Beispiel in der Pfalz, auf der Schwäbischen Alb und im Schwarzwald.
Abgesehen von diesen festen Routen scheint es uns Menschen gut zu tun, wenn wir einen Weg gehen können. Im Rhythmus des Gehens klären sich die Gedanken, ich spüre mich selbst, habe Kontakt zur Erde. Wer pilgert, kann ahnen, dass wir auf ein Ziel zugehen. Und wer heute nicht mehr so gut laufen kann, erinnert sich vielleicht an besondere Wege aus früheren Tagen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13672
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