SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Ein Heiliger, der einen Esel verleiht. Die Legende erzählt das vom Apostel Jakobus. Einmal war ein Mann unterwegs nach Santiago de Compostela zum Grab des Apostels. Bei einer Rast hat ihm ein Wirt sein Lasttier und alles, was er besaß, gestohlen, und er mußte mühsam zu Fuß weiterziehen, mit seinen kleinen Kindern an der Hand und auf den Schultern. Und da hat ihm Jakobus mit dem Esel geholfen und außerdem dafür gesorgt, dass der Mann seinen Besitz wiederbekam und der Wirt seine Strafe. Ein andermal war ein Vater mit seinem Sohn nach Santiago unterwegs, der Sohn wurde ebenfalls von einem bösen Wirt des Diebstahls beschuldigt und gehängt. Als der Vater auf dem Rückweg von Santiago nach 36 Tagen wieder vorbeikam, voller Trauer, da hing der Junge noch immer am Galgen, wurde wieder lebendig und erzählte fröhlich, wie in der Zwischenzeit Engel für ihn gesorgt hatten.
Wundersame Geschichten, am Rande eines Weges, der bis heute jedes Jahr Zehntausende anzieht. Natürlich hat manches Ähnlichkeit mit dem Starkult unserer Tage. Aber mir scheint, es steckt mehr darin. Ein Pilgerweg ist spannend und voller Gefahren, vor allem früher war das so, und mit dem Leben ist es genauso. Es ist verheißungsvoll und gefährlich, mir begegnen gute Menschen und solche, die Böses im Schild führen, ich erlebe Unglücke und Katastrophen. Und: es gibt immer wieder Rettung. Je schlimmer die Katastrophe, desto großartiger die Rettung. Diesen Glauben, diese Hoffnung haben Menschen früherer Jahrhunderte festgemacht an den Heiligen. Ich muß diese Geschichten nicht wörtlich nehmen, ich kann sie gar nicht wörtlich so glauben. Trotzdem finde ich sie wertvoll. Jakobus, der dem ausgeraubten und erschöpften Mann einen Esel leiht, der dafür sorgt, dass dem zu Unrecht gehängten Jungen nichts passiert - Menschen, die solche Geschichten erzählen, haben etwas erfahren, und ich denke, sie sprechen im Grunde von Gott, von einem fürsorglichen und rettenden Gott.
Natürlich darf ich und muß ich eigene Erfahrungen machen, meinen eigenen Lebensweg gehen mit Highlights und Katastrophen und ganz normalen Zeiten. Und dabei hoffen, dass andere mitgehen, dass der Weg ein Ziel hat und auch die Zeit des Gehens kostbar ist. Dabei möchte ich ein Auge und ein offenes Herz haben für die rettenden und helfenden Überraschungen, auch wenn sie vielleicht in Gestalt eines Esels daherkommen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13671
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