SWR2 Wort zum Tag

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In einem Aufsatz über das Auto der Zukunft habe ich folgendes gefunden: Das Auto vernetzt sich. Per Sprachbedienung kann der Fahrer Bürotätigkeiten vom Auto aus erledigen: den Terminkalender nutzen, sich e-mails vorlesen lassen oder Antworten diktieren. Über den Serverzugang lassen sich Filme für die Kinder abrufen, die hinten mitfahren. Außerdem sind Webradio, Social Media Apps und Info-Apps nutzbar, bequem über die Bedieneinheit im Fahrzeug.
Mich faszinieren solche Möglichkeiten, auf mehreren Schauplätzen gleichzeitig zu sein: da kann ich Zeit sparen, und lange Autofahrten werden kurzweiliger. Gleichzeitig ist da das ungute Gefühl, mich um ein Stück Leben zu betrügen. Filme gucken statt Landschaft. Mit meinen e-mails kommunizieren, statt mit den Beifahrern reden oder meinen Gedanken nachhängen.
Vor kurzem habe ich ein Buch geschenkt bekommen mit dem Titel „Pure Präsenz", also: ganz gegenwärtig sein, nichts als hier und jetzt da sein. Das finde ich noch verlockender als mehreres auf einmal. Nur wahrnehmen, was hier und jetzt ist. Der Autor Richard Rohr, ein amerikanischer Franziskaner, nennt als Beispiel die Geschichte von Maria und Martha aus dem Lukasevangelium. Sie sind Schwestern, und Jesus ist bei ihnen zu Besuch. Martha ist völlig damit beschäftigt, für Essen und Trinken zu sorgen. Gleichzeitig ärgert sie sich über Maria, die einfach nur dasitzt und Jesus zuhört. Doch der ergreift Partei für Maria. Nicht weil er denkt, dass das Essen von selber auf den Tisch kommt. Sondern er merkt, wie zerrissen Martha ist. „Martha, Du sorgst dich um vieles", sagt er deshalb. „Maria hat das Eine gewählt, und das wird ihr nicht genommen werden." Maria hat gespürt, was dieser Augenblick in sich hat. Dass der Besuch Jesu sie nicht ins Arbeiten bringen muß, sondern dass Jesus selber das Geschenk, der Schatz, die Chance dieses Augenblicks ist. Und sie ist ganz dabei, ihm zuzuhören, seine Nähe zu erleben, sie auszukosten, sich davon anregen, in Frage stellen zu lassen.
Hören und spüren, was hier und jetzt das Leben bereithält. Natürlich geht das nicht ständig und in manchen Lebensphasen nur ab und zu. Dennoch lädt mich die Geschichte von Maria und Martha dazu ein, ein Gespür für den Augenblick zu entwickeln, ein Gespür für das Eine, das jetzt gerade wichtig ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13667
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