SWR2 Wort zum Tag

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Heute darf ich eine kleine Helena taufen. Dieser Mädchenname hat derzeit Konjunktur. Manche wählen ihn wegen des schönen Klangs mit den drei Vokalen. Die Taufeltern heute sind freilich studierte Theologen. Sie geben ihrem ersten Kind ganz bewusst den Namen der römischen Kaiserin. An sie wird  heute in der katholischen Liturgie  besonders gedacht.
Der Legende nach soll sie das Kreuz Jesu in Jerusalem gefunden haben. Historisch gesicherter ist, dass die Mutter Konstantins des Großen Christin wurde und sich entschieden für die neue Religion einsetzte. Mit der Macht ihres Sohnes im Rücken trug sie offensiv dazu bei, in Jerusalem und Betlehem jene großen Kirchen entstehen zu lassen, die bis heute zu Besuch und Sammlung einladen. Da sie zusammen mit ihrem Sohn längere Zeit in Trier residierte, ist sie auch dort und im Rheinland vielfach verehrt. 
Eigentümlich ist es, wie viele Geschichten sich um diese Frau aus ursprünglich einfachen Verhältnissen ranken. Aus kleinen Verhältnissen in der heutigen Türkei stammend, ist sie mitten in den Orkan politischer Macht und sozialer Veränderungen geraten. Durch ihre Reise- und Bautätigkeit gilt sie  als ein Urbild all jener, die nach Israel und Palästina pilgern. Gewiss nicht ohne kluge politische Absichten suchte sie  entschieden die Rückbindung des Staates  an die Stätten Jesu, an das Geburtsland der Jesusbewegung. Wir haben es, könnte man sagen,  mit einer missionarisch geprägten , aktiven Christin zu tun. Sie wollte etwas bewegen und sie hat viel bewegt, sie gab sich mit dem Status quo nicht zufrieden, keineswegs eine tumbe fromme Helene, sondern eine machtbewusste, entscheidungsfreudige und erfolgreiche Christin. 
So tritt die kleine Helena, die wir heute taufen, in die Fußstapfen einer größeren. Die freilich soll gerade nicht  kopiert werden, jeder Mensch hat unverwechselbar seine eigene Geschichte und Berufung. Das Kreuz, das wir der kleinen Helena heute auf die Stirn machen, signalisiert das Gütezeichen Jesu. Gesalbt mit Chrisamöl wird sie ein königlicher Mensch. Dazu braucht man nicht Kaiserin in Konstantinopel  zu sein. Es genügt, die Gotteswürde im eigenen Leben zu realisieren.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13601
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