SWR4 Abendgedanken

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„Diabetes" - eine Freundin von mir hat diese Diagnose bekommen. Sie ist natürlich erst einmal richtig geschockt gewesen bei dieser Nachricht. Es bedeutet ja, dass diese Krankheit sie ein Leben lang begleiten wird. Alles, was bisher normal war, wird von jetzt ab unter dem Zeichen dieser Krankheit stehen. Arbeit und Ruhezeiten, Essen und Trinken, auch die Reisepläne. Einfach alles. Und diese Nachricht muss nicht nur der Körper verkraften, sondern auch die Seele.
Diabetes ist da nur ein Beispiel für eine Krankheit, die das Leben verändert. Hepatitis, die meisten Krebsformen, selbst der Herzinfarkt oder der Schlaganfall, die für sich gesehen nur ein Ereignis sind, gehören zu diesen körperlichen Leiden, die den ganzen Menschen treffen. Und die Liste lässt sich sicher noch leicht erweitern.
Ich habe es auch schon erlebt, dass sich die Ärzte nach solchen Diagnosen voll in die rein körperliche Behandlung stürzen und dass die psychische Seite außen vor bleibt.
Es gibt eben Krankheiten, bei denen nicht nur der Körper, sondern auch die Seele behandelt werden muss. Es ist fast schon eine Binsenweisheit. Trotzdem ist es noch nicht automatisch so, dass man zum Beispiel während und nach der Therapie von Krebs oder Diabetes auch nach der Seele schaut und eine begleitende Psychotherapie anbietet. Es ist Gott-sei-Dank selbstverständlicher geworden, dass man sich auch für die Seele beim Spezialisten Hilfe holen kann. Alles andere wäre ja auch dumm. Ich will jetzt gleich nicht alle Menschen, die ein schweres Leiden haben, ins Wartezimmer eines Psychotherapeuten setzen. Aber mir ist bewusst geworden, dass ich auch bei körperlichen Leiden darauf achten muss, dass die Seele nicht zu kurz kommt. Und wenn der Arzt vielleicht nicht dran denkt, weil er sich ganz auf die körperliche Seite konzentriert: Die Seele braucht auch Heilung. Zu dieser Heilung kann auch der Glaube an einen gütigen Gott helfen, der das Wohl aller Menschen will. Und noch vieles Andere: Der Therapeut, aber auch die Besuche von Freunden, die kleinen Freuden, die ich mir gönne: Besonders aber, dass ich meiner Seele die Erlaubnis gebe, dass sie auch traurig sein darf und dass ich mir die Zeit gönne, die ich brauche, um wieder voll im Leben zu stehen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13573
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