SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Rette dein Leben und sieh nicht hinter dich!"  (1.Mose 19,17)

Ein neuer Tag beginnt. Ein neues Leben damit auch.
? Vielleicht hört sich das für Sie etwas übertrieben an.
Am neuen Tag geht ja vieles weiter mit mir. Von gestern, von vergangener Woche, von Früher. Im Laufe eines Lebens wird es mehr.
Auch Belastendes. Und manchmal steht es im Weg - wie ein Hindernis, wie eine Wand.
Jetzt - hier und heute - steht mir Vergangenes im Weg, den neuen Tag, mein neues Leben zu begrüßen. Und dann? Dann höre ich gute Ratschläge: „Das musst du bearbeiten, dafür musst du dir Zeit nehmen, viel Zeit." Das mag so sein. Und macht Sinn.
Das andere aber auch - das nach vorne Schauen und bewusst das Bedrückende hinten lassen.
Dafür ist mir die Rettungsgeschichte von Lot und seiner Familie zum Sinnbild geworden.
Lot ist ein angesehener Fremder in der Stadt Sodom gewesen. Aber mit einem Mal, - Lot nimmt zwei fremde Männer in sein Haus auf, -  da schlägt ihm Ablehnung und Hass entgegen. Der Volkszorn entlädt sich mit Gewalt gegen seine beiden Töchter und ihn.
Ohne es zu wissen, hat Lot mit den zwei fremden Männern zwei Engel Gottes beherbergt.
Die schützen ihn und seine Familie vor ihren Peinigern und führen sie zusammen aus der Stadt. Ihr Gebot für den Weg:
„Rette dein Leben und sieh´ nicht hinter dich, bleib auch nicht stehen!"
So kamen Lot und seine Familie im Licht der Morgensonne in die Stadt Zoar.
Seine Frau aber, heißt es, schaute zurück, sah wie Sodom und Gomorra vernichtet wurde - und erstarrte zur Salzsäule (1.Mose 19,26).
Ein warnendes Zeichen: „Rette dein Leben und sieh´ nicht hinter dich, bleib auchnicht stehen!" Nur so gewinnst du Abstand zu tiefen, verletzenden Erfahrungen, zu Kränkungen und Unrecht. Sonst erstarrst du - sonst kommst du nicht raus.
Kein verordneter Optimismus ist das. Keine gute Miene zum bösen Spiel ist verlangt. Nur soviel: Jetzt nicht! Jetzt noch nicht! Jetzt geh erst einmal weiter, jetzt bleib nicht stehen, jetzt schau nicht zurück, nicht im Zorn, nicht in Angst, nicht in Trauer. Jetzt geht es um dich und deine Zukunft, jetzt rette dich!
Ich brauche einen Abstand. Ich brauche einen geschützten Raum.
Dann, erst dann ist Zeit für Rückblicke.
Wenn neue, heilvolle Erfahrungen dazwischen treten.
Vergangene Kränkungen anschauen, ja, Verletzungen und Unrecht.
Aber alles zu seiner Zeit. Das kann dauern, Wochen, Monate, Jahre, manchmal Jahrzehnte.
Ich wünsche mir dafür Zeit. Und habe sie auch schon gehabt.
Nur verbauen sollen sie mein Leben nicht.
Heute nicht - und Morgen auch nicht.
Denn dafür habe ich diesen Tag meines Lebens nicht geschenkt bekommen.

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