SWR2 Wort zum Tag

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Licht ist eine Ursehnsucht des Menschen. Licht ist die Verheißung des Schöpfungsmorgens, und es steht für die Hoffnung, dass die vielen Dunkelheiten des Lebens einmal in eine helle Zukunft hinein aufbrechen.
Daran erinnern mich zwei sehr gegensätzlich erscheinende Bilder, die ich in der Ausstellung „Kunst-Dialoge am Oberrhein" gesehen habe. Das eine ist eine Fotografie. Sie zeigt das Vitra-Haus in Weil am Rhein, ein Beispiel innovativer  Architektur. Dem hat der Maler Albi Maier ein Ölbild mit alten Schwarzwaldhöfen gegenüber gestellt. Beides sind Nachtbilder. Und beide erzählen vom Licht.
Die Fotografie des Vitra-Hauses ist ein Licht-Bild im wörtlichen Sinne. Charakteristisch sind die riesigen Fenster, aus denen die Giebelfronten bestehen.   Aus ihnen scheint Licht in die Dunkelheit heraus. Sie ziehen meinen Blick auf sich und lassen etwas von dem  modern gestalteten Inneren erkennen, in dem ich frohes, angenehmes Leben ahnen kann.
Dagegen ducken sich auf dem anderen Bild  alte Schwarzwaldhöfe unter schwarzem Nachthimmel an tief verschneite Hänge und in Talmulden. Dunkle Hauswände scheinen wie fensterlos unter weit herunter gezogenen Dächern zu verschwinden. Die Gebäude erzählen davon, wie hier Menschen früherer Generationen in einem entbehrungsreichen Leben mit der Natur ringen mussten.
Bei näherem Betrachten sehe ich aber, dass auch dieses scheinbar düstere Bild vom Licht lebt. Auch die Nacht hat ihr eigenes Licht, das sich in den schneebedeckten Matten und Dächern reflektiert. Und im Inneren der dunklen Häuser vermag ich durchaus Leben zu ahnen, das von Zufriedenheit und Geborgenheit geprägt ist.
Zu allen Zeiten sehnen sich Menschen nach Licht. Danach, dass ihr Leben glücklich und sinnvoll ist. Dass sich die vielen dunklen Rätsel ein wenig aufhellen. Ich glaube nicht, dass dies für uns heute leichter ist als für frühere Generationen - umgekehrt aber wohl auch nicht. Solange wir leben, suchen wir das Licht. Es steht als Verheißung vor uns, über die wir nicht verfügen können. Und diese Verheißung ist lebensnotwendig.
In einem Kirchenlied, das einen biblischen Psalm aufgreift, heißt es: „Herr, dir ist nichts verborgen, Du schaust mein Leben ganz. Das Gestern, Heut' und Morgen wird hell in Deinem Glanz." Und weiter: „Du kennst das Dunkel nicht. Die Nacht wird Dir zum Tage, und wo ich Dunkel sage, da ist vor Dir nur Licht."

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13505
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