SWR2 Wort zum Tag

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„Unterwegs bleiben" - das könnte der gemeinsame Titel zweier Bilder sein, die meinen Blick auf sich ziehen. Sie gehören zu der Ausstellung „Kunst-Dialoge am Oberrhein", die zurzeit in drei südbadischen Städten zu sehen ist.
Einen kleinen Ausschnitt aus einer italienischen Landschaft zeigt das Acrylbild der Freiburger Malerin Barbara Müller Wiesinger. Gedeckte, wie von Dunst verhangene Töne bestimmen die Atmosphäre. In der Bildmitte das ziegelrote Dach eines einfachen Steinhauses. Wie verloren steht es vor einem weiten Horizont. Ein gerader Weg kommt aus dem Vordergrund und verliert sich verschwimmender Ferne, parallel dazu die Masten einer Telefonleitung.  Darüber ein schlieriger Wolkenhimmel. Das Ganze wirkt wie hingehuscht, wie eine Momentaufnahme aus einem fahrenden Zug oder einem Auto - so als fliege die Landschaft vorbei und bleibe nur als vage Erinnerung zurück, während in Wirklichkeit doch ich selbst vorbeieile, in ein noch unbekanntes Offenes hinein.
Das andere Bild stammt von dem britischen Fotografen Nicholas Winter und trägt den Titel „Camper".  Aufgebockte Wohnwagen sind aufgereiht - mit Holzverkleidung, einem Dach, einem Schornstein. Technisch ist das Foto so bearbeitet, dass es wie ein sehr altes Bild aussieht. Es wirkt paradox auf mich. Wohnwagen, Zeichen von Mobilität, von Unterwegssein, sind wie für immer abgestellt. Die Menschen haben sich darin niedergelassen und eingerichtet. Und doch vermittelt das alles den Eindruck des Provisorischen, Unbehausten. Starke Bilder. Lebensbilder. Ist es nicht so, dass wir das Bedürfnis haben, uns einzurichten im Überschaubaren, möglichst auf Dauer? Liebgewordenes, Vertrautes festzuhalten? Ich verstehe gut, dass die ständige Veränderung viele Menschen ängstigt. Auch ich habe im persönlichen Leben ein Bedürfnis nach Stetigkeit und Sicherheit, möchte die permanenten Entwicklungen manchmal am liebsten aufhalten.  Auch in der Kirche haben manche dieses Bedürfnis. Aber das sichere Jetzt ist eine Illusion. Es verschwindet ständig in der Vergangenheit. Und vor uns liegt immer eine offene, weithin nicht überschaubare Zukunft. „Wir haben hier keine bleibende Wohnstatt" (Hebr 13,14), so mahnt schon die Bibel die ersten Christen, sich nicht allzu sicher einzurichten. Ich erinnere mich aber auch an folgenden Satz: „Ein Wanderer hat seine Heimat immer bei sich." Gibt es nicht auch immer neu die Chance, zu entdecken, zu wachsen, Momente des Glücks und des sinnvollen Lebens zu erfahren? Es kann schmerzlich sein, Vertrautes loszulassen, sich dem Neuen, Offenen, Unsicheren auszusetzen. Ich muss viel Vertrauen dafür aufbringen. Aber es kann mich auch sehr frei machen.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13504
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