SWR2 Wort zum Tag

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Das Gottesteilchen ist vermutlich entdeckt! In den ersten Julitagen beherrschte diese Meldung die Nachrichten. In Genf ist es einer Gruppe von Physikern gelungen, die Existenz eines neuen und für die Forschung ganz wichtigen Elementarteilchens nachzuweisen.
Die physikalische Sensation, die in Genf gelungen ist, ist nur ein Aspekt des Ganzen. Mich interessiert besonders der der Name, der in den Medien und in der Populärliteratur für dieses Teilchen verwendet wird, nämlich: Gottesteilchen. Erfunden hat ihn ein amerikanischer Physiker namens Leon Max Ledermann. Er wollte damit zum Ausdruck bringen, wie wichtig dieses Teilchen für die Physik ist. Peter Higgs, der eigentlichen Entdecker dieses Teilchens, benutzte diesen Ausdruck nicht. Er hatte Angst, damit religiöse Gefühle zu verletzen.
Gottesteilchen - diesen Namen könnte man als Hinweis verstehen, dass die Schöpfung Gottes jetzt durchschaut ist. Das Gottesteilchen wäre dann so etwas wie der Schlussstein in einem gotischen Gewölbe. Eine Entdeckung, die alle anderen Entdeckungen zusammenhält. Die Entdeckung des Gottesteilchens wäre dann also der letzte Beweis dafür, dass es Gott gar nicht braucht. Und deshalb auch nicht gibt. Der Mensch hat die Materie durchschaut.
Vielleicht verstehen manchen Menschen den Namen Gottesteilchen in diesem Sinn. Ich finde den Namen Gottesteilchen aus dem gegenteiligen Grund spannend. Der letzte Schlüssel zum Verständnis eines wichtigen Teils der Schöpfung stellt für mich die Größe der Schöpfung geradezu heraus. Unsere Welt und die kleinsten Bausteine, aus denen alles besteht, sind für mich  Anlass zum Staunen. Und je mehr die Wissenschaft von der Welt versteht und durchschaut, desto größer wird mein Staunen. Über die Schöpfung. Und über die Kraft Gottes, die sich für mich in diesen  Erkenntnissen der Wissenschaft spiegelt.
Eigentlich ist für mich jedes Teilchen unserer Materie ein Gottesteilchen. Ein Hinweis auf die schöpferische Phantasie Gottes, die in jeder naturwissenschaftlichen Erkenntnis sichtbar wird. Voller Gottesteilchen bin auch ich selber. Als Mensch, der weiß, dass er das Ergebnis eines langen Prozesses der Entwicklung ist. Und der sich freuen kann, dass die Bibel den Menschen als Ebenbild Gottes bezeichnet. Nicht nur für irgendeinen göttlichen Funken in mir gilt das. Sondern für mich als Ganzes. Mit Haut und Haar. Mit Gefühl und Verstand. Ein kunstvolles Gebilde bin ich, sind wir alle - voll von Gottesteilchen. Wie die ganze Schöpfung.

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