SWR3 Gedanken

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Die Halme sind ab. Die ersten Ernten sind eingefahren und man sieht den Feldern an, dass unsere modernen Maschinen gründlich arbeiten. Ich komme auf meinem Weg zur Arbeit an ziemlich vielen Feldern vorbei. Ratzeputz kahl sind sie.
In unseren Zeiten wäre unmöglich, was früher ein Vorrecht der Armen gewesen ist: das Ährenlesen! Von der Zeit des Alten Testaments bis nach dem zweiten Weltkrieg ist es selbstverständlich gewesen, dass die Armen nach der Ernte über die Felder gehen und einsammeln, was noch übrig war. Und das ist manchmal ganz schön viel gewesen. Auf diese Weise haben die Bauern andere von ihrem Überfluss profitieren lassen. 
Heute ist das so nicht mehr möglich. Trotzdem ist das soziale Gewissen nicht einfach verschwunden. In meiner Stadt beobachte ich gerade bei jungen Menschen einen neuen Trend, der mich an das alte Prinzip der Nachlese erinnert. Wie immer im Sommer wird gerne am Abend auf öffentlichen Plätzen gesessen, geredet, gefeiert und getrunken. Mit Vorliebe aus Pfandflaschen.
Bevor man dann zu später Stunde aufbricht, werden die Pfandflaschen aus dem Weg geräumt, aber nicht mitgenommen. Spätestens am frühen morgen sind die Flaschensammler da. Leute jeden Altes, die ihr schmales Auskommen mit der Rückgabe gefundener  Pfandflaschen aufbessern.                                                                                                 

Ich habe einen der feiernden jungen Leute mal gefragt, warum sie die Flaschen nicht selbst zurückbringen. Kai hat es auf den Punkt gebracht: „Ich hab nicht besonders viel Geld", hat er gesagt, „jedenfalls zu wenig, um was zu spenden. Aber für das Feierabendbier reichts locker. Und wenn ich damit noch jemandem weiterhelfen kann, indem ich auf das Pfand verzichte, ist das doch prima. So hab ich wenigstens einen kleinen Beitrag geleistet." 
Ich bin beeindruckt -  Überfluss teilen: das geht auch im Kleinen!

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