Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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 Ein toll gedeckter Tisch mitten im Garten: Weiße Tischdecke, schönes Porzellan, bunte Blumen. Über die Einladung zu dem Nachmittag mit den Freundinnen freue ich mich. Schon länger haben wir uns nicht mehr gesehen. Da gibt es viel zu erzählen. Die Gastgeberin will uns verwöhnen und hat sogar einen Kuchen gebacken. Alles soll perfekt sein! Doch dann das: Der Kuchen sieht irgendwie merkwürdig aus. Die Creme wollte wohl nicht fest werden. Aber klar, alle sind höflich und probieren. Doch bei allem guten Willen: Die Torte ist ungenießbar. Wie sich heraus stellt, hatte meine Freundin die Zutaten vertauscht. Wir müssen herzhaft lachen. Und dann fängt eine nach der anderen an, von allen möglichen Missgeschicken zu erzählen. Da kann jede was beisteuern. Die Kaffeetasse, die umfällt und das weiße Kleid bekleckert. Die Namen, die verwechselt wurden. Das angebrannte Festtagsessen. Der Kaffeeklatsch war klasse,  auch ohne selbstgebackenen Kuchen. Und ich bin mir sicher: Das Treffen war so toll, weil alle ganz offen und ehrlich erzählt haben. Nicht von den neuesten beruflichen Erfolgen, den besten Rezepten und den begabtesten Kindern. Erzählt wurde von dem, was daneben geht, was misslingt, was schief läuft, was peinlich ist. An diesem Nachmittag konnten alle spüren: Ich muss nicht perfekt sein. Andere sind es auch nicht. Das entlastet. Das tut richtig gut. Ob ein Treffen gelingt, hängt nicht davon ab, ob die Torte schmeckt, die Fenster geputzt sind oder das Wohnzimmer aufgeräumt ist. Für mich ist viel wichtiger, wie ehrlich mir jemand begegnet, ob wir erzählen können von dem, was schön ist, aber auch von dem, was gerade schief läuft.
Auf die nächste Kaffeerunde in meinem Garten blicke ich total entspannt. Die Freundinnen kommen, auch wenn oder besser: gerade weil nicht alles perfekt ist.  

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