SWR3 Worte

SWR3 Worte

Ich erinnere mich an die Zeiten, in denen ich sehr lange Haare hatte, ungefähr bis zur Gürtellinie ... und ungefähr wie das Gegenteil eines Sohnes aussah, den sich mein Vater wünschte... Aber in jenen Jahren verschaffte er mir immer wieder Jobs um in den Ferien etwas Geld zu verdienen. Dann ging ich mittags mit ihm bisweilen im Casino der Industrie- und Handelskammer essen und saß zwischen lauter Geschäftsführern in Anzug und Krawatte. Es muss ihm sehr unangenehm gewesen sein, dass sein Sohn aussah wie ein „Revoluzzer", aber er ließ nie auch nur eine Sekunde einen Zweifel daran, dass ich sein Sohn sei und dass er (was er so nie, nie, nie gesagt hätte) mich liebte. Er hielt das aus, wie ich war und wie ich aussah und dass ich ihn verachtete, er hielt es einfach aus. Und es war großartig, dass er es aushielt, denn das ist, was Eltern manchmal einfach können müssen und worin sich ihre Liebe vielleicht in schwierigen Zeiten am allermeisten ausdrückt: die Dinge auszuhalten.

Aushalten - von Axel Hacke
Für jeden neuen Tag - Gedanken Geschichten Gebete. Heft 41. AMD Berlin 2012

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