SWR2 Wort zum Tag

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Dass Menschen sich den lieben Gott so ausmalen, wie er ihnen am besten gefällt, ist nichts Neues. Schon im Altertum beobachtete der Philosoph Xenophanes, dass die Götter der Äthiopier Stupsnasen und schwarze Nasen hätten, die der Thraker aber blaue Augen und rote Haare. Er vermutete, wenn Ochsen, Pferde oder Löwen malen könnten, dann würden sie ihre Götter bestimmt als Ochsen, Pferde oder Löwen darstellen.
Die Religionskritik der Moderne hat diesen Gedanken aufgegriffen. Ludwig Feuerbach und seine Schüler meinten, nicht Gott habe den Menschen nach seiner Vorstellung geschaffen, sondern umgekehrt: die Menschen hätten Gott nach ihren Vorstellungen und Bildern entworfen.
Gegen solche menschliche Selbstverlängerung in den Himmel pro-testierten bereits die Propheten in der Bibel. Sie widersprachen den Wunschbildern, die sich Menschen von Gott machten.
„Bin ich denn nur ein Gott, der nahe ist, und nicht auch ein Gott, der ferne ist?" fragt Gott zornig beim Propheten Jeremia. Und bei Jesaja stellt Gott klar: „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und meine Wege sind nicht eure Wege".
Es gibt demnach keine religiöse Schwebebahn, die von der Talsohle menschlicher Existenz zur Spitze des Berges führen würde. Wer Gott ergründen will, stößt dabei unweigerlich an die Grenzen der eigenen Erkenntnismöglichkeiten.
Andererseits gilt, dass wir Menschen auf Bilder nicht verzichten können, um überhaupt von Gott zu reden. Ein Bild, eine Projektion, ist aber darum nicht schon falsch, weil es sich um eine Projektion handelt. Wenn ein kleines Kind seinem Vater allerhand zutraut, ihn bewundert und verehrt, heißt das ja nicht, dass es den Vater nicht gäbe.
Menschen brauchen Bilder. Aber wir müssen wissen, dass sie immer nur Krücken der Erkenntnis sind. Ganz gleich, ob es sich um ein Bild handelt, dass ich mir von einem anderen Menschen oder von Gott mache.
Bilder von Gott zu benutzen und sie dennoch jederzeit aufgeben zu können, darauf kommt es an. Der Zwang zur Projektion, schrieb der Schriftsteller Max Frisch einmal, könne nur durch die Liebe aufgelöst werden: Nur die Liebe befreie aus jeglichem Bildnis.
Sie befreit aus dem Bildnis, das ich mir von Gott, aber auch von an-deren und schließlich auch von mir selbst mache. Die Liebe zerbricht Klischees und Stereotypen und ermöglicht wirkliches Erkennen. Jenseits aller Projektion.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13328
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