SWR4 Abendgedanken

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Solche Sachen passieren meist dann, wenn man eh keine Zeit hat. Gerade möchte ich in die letzte Parklücke fahren, da schnappt sie mir jemand vor der Nase weg. Und dann steigt der noch aus und grinst mich an. Ich koche förmlich vor Wut. Das ist keine Einbildung, sondern wissenschaftlich belegt. Gefühle haben direkten Einfluss auf unseren Blutdruck.
Hoher Blutdruck, den haben viele. Wissenschaftler aus Florida haben jetzt eine Lösung anzubieten. Und zwar eine, die ich so von Medizinern nicht erwartet hätte. Es sind nämlich nicht wie üblich Medikamente oder Sport. Der neue Ansatz  geht tiefer. Die Therapie heißt „Vergebung".
Patienten mit Bluthochdruck nahmen 8 Wochen lang an einem „Vergebungstraining" in den USA teil. Sie sollten in Gesprächen und Rollenspielen lernen, Wut und  Enttäuschung loszulassen. Das Ziel des Trainings: Alte Verletzungen können heilen, die Teilnehmer kommen innerlich zur Ruhe und der Weg zur Vergebung ist frei. Sicherlich kein leichter Weg. Aber die Arbeit an der eigenen Vergangenheit lohnt sich:
Die Patienten hatten am Ende der Therapie einen deutlich niedrigeren Blutdruck, der im gesunden Mittel lag.
Jetzt ist diese Idee des „Vergebungsseminars" auch nach Europa geschwappt. Der Schweizer Arzt, Ruedi Brodbeck, bietet sie seit einigen Jahren im deutschsprachigen Raum an. Er ist vom Erfolg überzeugt und auch messbare Daten sprechen für sich.
Ein Beispiel: Eine 80jährige Frau hatte jahrelang Bluthochdruck. Dabei klagte sie immer wieder über ihren Ehemann. Die Frau hat sich 8 Wochen lang intensiv mit ihrem Ärger auseinandergesetzt. Es wurden ihr immer wieder Wege zur Vergebung gezeigt. Danach war ihr Blutdruck erstaunlicherweise gesunken. Sie hatte gelernt, dass Vergebung ein wichtiger Weg ist, ihre gestörte Beziehung zu ihrem Mann wieder in Ordnung zu bringen. Ruedi Brodbeck sagt: „Vergebung betrifft den ganzen Menschen. Es ist nötig, Schuld aufzuarbeiten und die Vergangenheit neu zu deuten." Dabei muss man nicht religiös sein, um zu erkennen, dass Vergebung sinnvoll ist. Brodbeck meint dazu: „Ich vergebe nicht, weil ich vergeben muss, sondern weil ich bereit bin, heil zu werden." Vergebung meint nicht, den Kürzeren zu ziehen oder sich als Verlierer zurück zu ziehen. Echte Vergebung ist sicher zunächst harte Arbeit und fällt mir nicht in den Schoß. Aber sie birgt die Chance auf ein gesünderes Leben und kann so ein wahrer Segen sein.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13323
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