SWR2 Wort zum Tag

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Was, wenn Jesus dann doch wiederkommen würde? Knapp 2000 Jahre nach seinem Tod, seiner Auferstehung und Himmelfahrt - kurz: nach dem endgültigen Ende aller realen Erfahrungen, die Menschen mit diesem Menschen Jesus machen konnten. Die ersten Jünger waren noch der Meinung: Jesus kommt schon bald. Aber diese Hoffnung verflüssigt sich im Laufe der Jahre. Bis heute. Ich kenne keinen Christen, der erwartet, dass Jesus  sehr bald wiederkommt. Was verständlich ist. Denn wie soll dieser Jesus denn auch kommen - so kommen, dass wir es mit unserem naturwissenschaftlich-technischen Weltbild überhaupt deuten könnten? Der Autor Peter Henisch hat genau zu diesem Thema einen Roman geschrieben. »Der verirrte Messias«. Alles dreht sich um Barbara, eine Literaturkritikerin und Atheistin. Und um Mischa. Die beiden begegnen sich in der Abflughalle des Frankfurter Flughafens. Barbara reist nach Israel, will Ferien machen. Mischa dagegen ist auf der Suche nach einer Geschichte, seiner Geschichte. Denn er ist überzeugt: Ich bin der wiedergekommene Jesus. Der Autor Henisch erzählt diese Geschichte von Barbara und Mischa verstörend heutig. Einerseits lebt Mischa/Jesus in den biblischen Geschichten, andererseits hat er eine Biographie, die ihn im 21. Jahrhundert verortet. Hier streut Henisch immer wieder Legenden über das Leben Jesu ein. Von dem römischen Soldaten Panthera, der angeblich Jesu Vater war, oder dass Jesus gar nicht am Kreuz um Leben gekommen ist. Und schließlich auch die alte Behauptung, dass die ganze Messiasgeschichte, die ganze Erlösungsvorstellung Teil eines großen Komplotts sei. Dass Jesus nur ein verirrter und verwirrter Messias war. Aber dem stellt der Autor immer wieder auch Szenen gegenüber, in denen aufscheint, dass dieser Jesus mehr war - mehr als nur ein Mensch, der von anderen zum Messias-Sein genötigt wurde. Peter Henisch wagt ein spannendes Experiment. Knüpft an die Erwartung an, dass Jesus wiederkommt - und bricht diese Erwartung. Denn in seinem Roman ist der Jesus, der wiederkommt, - wieder - ein Mensch. Und hat als Mensch große Probleme, sich in seiner Messias-Geschichte zurechtzufinden. Für mich löst das einen spannenden Gedanken aus: Wenn Jesus kommt, muss er dann nicht als Mensch wiederkommen? Und ich frage mich: Warum eigentlich nicht? Ist das nicht Kern des christlichen Glaubens: Dass Gott im Menschen zur Welt kommt? Und warum dann nicht auch heute? In ungewöhnlichen Menschen und durch ungewöhnliche Geschichten? 

Peter Henisch: Der verirrte Messias, München (dtv) 2012. Isbn 978-3-432-14111-6

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