SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Manchmal geschieht Seltsames in der Nacht.  Und am nächsten Morgen ist alles anders. Eine Geschichte der Bibel erzählt fast augenzwinkernd darüber.
Paulus, der eifrige Missionar Gottes, legt sich schlafen.
Wieder liegt ein enttäuschender Tag hinter ihm. Seit Wochen ist er unterwegs auf dem türkischen Festland.  Er will Gemeinden gründen. Aber daraus wird nichts.  Der Geist hindert ihn daran, erzählt die Bibel geheimnisvoll. Da erscheint ihm im Traum ein Mann in griechischer Tracht. Der sagt laut und deutlich: „Komm herüber und hilf uns!"
Morgens weiß Paulus, was er zu tun hat. Er packt seine Sachen und  wagt den Sprung auf den europäischen Kontinent nach Griechenland. Dort verbreitet er den neuen christlichen Glauben.
Was sich für Weitgereiste heute wie ein Klacks anhört, war damals ein riesiger Schritt.
Für Paulus war die Bitte um Hilfe nicht zu überhören . Auch wenn der griechische Mann im Traum und nicht leibhaftig auftritt, ist ihm klar: Das kommt von Gott.  Ich soll helfen.
„Kannst du mir helfen?" ist eine Frage, die jeder schon gehört hat.  Und jeder hat auch schon diese Bitte an andere gerichtet. Manchmal sind es Kleinigkeiten. „Hilf mir doch mal, die Spülmaschine auszuräumen". Oder: „Wo geht's bitte zum Bahnhof?" Diese Hilfsbitten sind leicht ausgesprochen und einfach erfüllt
Aber manchmal
muss ich allen Mut zusammen nehmen, um andere um Hilfe zu bitten. Nicht immer mache ich das gern, gestehe ich mir doch damit ein, dass nicht alles kann und schaffe. Und es ist ja auch nicht so, dass Hilferufe immer auf offene Herzen treffen. Wer einmal die bittere Erfahrung gemacht hat, trotz großer Not keine Hilfe zu erfahren, vielleicht noch nicht einmal von seinen Verwandten oder Freunden, der wird vorsichtig mit seinen Erwartungen.
Und es ist auf der anderen Seite auch so: nicht jeder Hilferuf kann leicht und locker erfüllt werden.
Und trotzdem: sich gegenseitig helfen, hilfsbereit sein, tun, was mir möglich ist, um dem anderen zu unterstützen. Das ist der Stoff, aus dem eine menschliche Welt gewebt ist.
Helfen hilft, von mir selbst wegzuschauen und den anderen in den Blick zu bekommen.
Hilfe zu erfahren lässt mich spüren: ich bin nicht allein auf mich gestellt.  Da sind andere, die mich mögen und die bereit sind, auf ihre Zeit, Kraft oder ihr Geld für mich zu verzichten.
Wer einmal eine  überwältigende Hilfserfahrung gemacht hat und aus großer Not befreit wurde, der wird  selber großzügig und weitherzig  helfen.
Möglichkeiten zur Hilfe gibt es unzählige. Von einer erzähle ich in ein paar Minuten.

Ich habe schon viel Hilfe in meinem Leben erfahren.  Frauen meiner Gemeinde kommen mir in den Sinn, die mein Haus  putzten und für die Familie kochten, als ich mich wegen einer schweren Grippe schonen musste.
Ich denke an Freunde, bei denen ich  Unterschlupf fand, als ich meine Studentenbude räumen musste.
Eine Form der Hilfe wirkt sehr unspektakulär und ist doch für mich bedeutsam geworden. Eine gute Freundin ist Koreanerin. Sie lebt schon etliche Jahre in Deutschland. Viele Koreaner sind aktive und im besten Sinne fromme Christen. Die Kirchen in Korea wachsen erstaunlich schnell.  Die Koreaner führen das auf ihr intensives Gebetsleben zurück. Meine Freundin ist auch eine leidenschaftliche  Beterin. Früher habe ich das nicht so wertgeschätzt. Es war halt sozusagen ein Privathobby von ihr. Heute sehe ich das anders.  Ich erzähle ihr in regelmäßigen Abständen von meinen Gebetsanliegen.
Wie es in der Familie aussieht, wo gerade Sorgen im Berufsalltag drücken. Ich weiß, sie bespricht meine Anliegen mit Gott. Das macht sie nicht in einem Satz, sondern sie nimmt sich dafür jeden Tag eine Auszeit. Beten ist schön, aber auch harte Arbeit, sagt sie.
Für mich ist dieses Wissen, dass da jemand regelmäßig für mich betet, eine große Hilfe.
Einander durch beten helfen. Das ist keine leichte Übung. Weil  Beten viel mit Achtsamkeit zu tun hat, mit Stille und Konzentration, mit meiner Fähigkeit zum Hören. Weil Beten nicht automatisch funktioniert und mir die Worte nicht so einfach aus dem Mund fließen. Weil füreinander beten mit Vertrauen zu tun hat, das sich Menschen einander schenken. Und das sie Gott schenken, wenn sie mit ihm auch die persönlichsten Dinge besprechen.
Füreinander Beten ist auf den ersten Blick eine bescheidene  Hilfe. Aber mit dem Beten  kommt noch eine weitere Hilfskraft mitten hinein in die Sorgen und Nöte. Eine göttliche Hilfskraft.  „Rufe mich an, so will ich dir helfen in der Not."
Das habe ich in der Bibel von Gott gelesen. Das ist  sogar sein Name. Denn die Bedeutung des Namens Jesus ist ganz schlicht: Gott hilft.
Manchmal stimmt es: Da hilft nur noch Beten. Die Hände sind einem gebunden, ich kann nichts mehr ändern, ich muss mich einer Situation fügen. Wenn einem selbst das Beten im Mund vertrocknet, dann ist es gut, wenn andere mit ihren Gebeten helfen. Und man gemeinsam alle verzweifelte Hoffnung auf den richten kann, der versprochen hat, Helfer zu sein.
Mir hilft es, mich immer wieder an erfahrene Hilfe in meinem Leben zu erinnern. Menschen haben durch ihre Gebete Gott für mich bewegt. Und Gott hat durch Menschen meine Not gelindert. Durch beten einander helfen. Und damit die Welt ein kleines bisschen wärmer und gerechter werden lassen. Vielleicht auch heute.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13262
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