Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Was machen eigentlich in diesen Tagen die Leute, die keinen Fußball mögen?
Ihnen will ich mich heute Morgen einmal besonders zuwenden.
Wie geht es ihnen bloß nach all den furchtbaren Tagen und Abenden.
Umzingelt von grünem Rasen und so dermaßen geistesabwesenden Mitbewohnern.
Wie haben sie  das bisher überlebt?
Was macht man nur, wenn man nicht mit Fähnchen und tätowierten Außenspiegeln im Nationaltrikot durch die Gegend fährt.
Was Abseits ist, das können diese Leutchen uns glaub ich ganz gut erklären.
Sie stehen nämlich drin, ununterbrochen. Im Abseits der  Fußball - Gesellschaft.
Darum will ich Ihnen ein paar Überlebenstipps anbieten:
Ich denke, es könnte gut tun, wenn sie gerade während der Übertragung besonders wichtiger Spiele
ganz bewusst aus dem Haus gehen.
Natürlich nicht an die Plätze, wo public viewing alles nur noch viel schlimmer macht.
Nein, ich meine, so durch die ganz normalen Straßen und Gassen.
Und da können Sie schön zur Ruhe und zu sich selber kommen und außerdem sicher sein, niemanden zu treffen, der sie verachtet.
Im Gegenteil, alle, wirklich alle, die ihnen jetzt womöglich ganz verwirrt und ängstlich entgegen kommen, sind garantiert völlig ungefährlich, aber genauso gefährdet wie sie.
Wen sie auch treffen, still und scheu immer an der Wand lang:
Es handelt sich mit Sicherheit um Leidensgenossen, ebenfalls wie sie selbst umherirrend und immerzu nach dem Sinn des Lebens ohne Fußball suchend.
Sprechen sie solche Leute nur ganz sanft an und bilden sie mit ihnen eine Selbsthilfegruppe.
Schließen sie sich zusammen, damit man sie besser wahrnimmt und ernst nimmt.
Gehen sie dann zusammen ins Kino, so ungestört haben sie noch nie dort einen Film genießen können.
Machen sie eine Radtour, die Straße gehört praktisch ihnen. Im Wald und auf der Heide gibt es keinen Gegenverkehr.
Solange die Fußballfans evakuiert und fasziniert sind, haben sie sturmfreie Route.
Und wenn ich noch eine Bitte äußern dürfte, beten sie für die anderen, die sich so in die Gefahr der Enttäuschung und der verzweifelten Fanverbundenheit stürzen.
Seien sie barmherzig und falten sie die Hände, die die anderen gerade nicht frei haben und beten sie, dass alles es gut ausgeht.
Damit wird aus der Fußballtyrannei eine wirklich sinnstiftende Einkehrzeit.
Das nenn ich Arbeitsteilung.
Ein Tor ist, wer das nicht versteht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13245
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