SWR2 Wort zum Tag

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Freunde, sagt der Philosoph Cicero, sind das schönste Geschenk, das Gott dem Menschen macht.  Es sind die Weggefährten, die jeder Mensch nötig hat. Freunde trösten, lassen nicht allein, teilen Freud und Leid miteinander. Sie sind die guten Mächte, die einen bergen. Einen Menschen zu haben, der mir gegenübersteht, gibt Halt und Geborgenheit und macht das Leben reich.
Vom Reichtum der Freundschaft erzählt auch die Bibel. Zum Beispiel in der Geschichte von David und Jonathan. David, ein Hirtenjunge, ist von Gott gesegnet. Er bezwingt durch Geschick und Gottvertrauen den Feind Goliat und erringt dadurch die Aufmerksamkeit des Königs Saul, der ihn an seinen Hof holt. Sauls ältester Sohn Jonathan und David lernen sich dadurch kennen.
Im 1. Buch Samuel wird erzählt, dass sich das Herz Jonathans mit dem Herzen Davids verband und Jonathan ihn wie sein eigenes Herz lieb gewann. Es entsteht eine Freundschaft, die von Treue, Verlässlichkeit und dem Glauben an Gottes Führung getragen ist. Jonathan verschenkt David seinen Rock, seine Rüstung und seine Waffen. Er verzichtet damit auf die eigene Stärke, verschenkt einen Teil von sich.
Das gehört für mich zur Freundschaft: sich zu verschenken, sich im Geben und Nehmen zu ergänzen und  auch mit Widerständen fertig zu werden.
Das erfahren auch David und Jonathan. Sie sind den Anfeindungen von Jonathans Vater ausgesetzt. Saul leidet zunehmend unter Depressionen, sieht seine Macht schwinden. Er neidet David seine militärischen Erfolge, seine Beliebtheit in Israel. Saul beginnt David zu hassen. Er will ihn töten. Jonathan aber bewahrt David, indem er ihm zur Flucht verhilft. Sie schwören sich gegenseitige Treue. Für das, was wir beide geschworen haben, sei der Herr zwischen mir und dir, sagt Jonathan. Gehe hin in Frieden. David und Jonathan stellen sich unter Gottes Schutz. Sie wissen, dass er es ist,  der sie leitet. Schmerz und Trauer bestimmen den Abschied, weil die Freunde ahnen, dass es wohl ein Abschied für immer ist. Vielleicht fühlen beide so, wie es Montaigne nach dem Verlust eines Freundes formuliert hat: ... mich dünkt, ich sei nur noch die Hälfte.
Die Geschichte von David und Jonathan ist eine zeitlose Geschichte. Sie macht etwas vom Wert der Freundschaft über alle Zeiten hinweg klar: sie ist ein Geschenk, zu dem Vertrauen, Zuneigung und Liebe gehören. Sie ist geteiltes Brot. Freundschaft ist für mich beides: Geben und Nehmen, Glück und Schmerz. Dorothee Sölle hat es so ausgedrückt: Sieist eines von den Geschenken des Lebens, die ohne Warum und Wozu blühen. Freundschaft ist, wenn wir fast selbstverständlich und manchmal, ohne es zu wissen, Gott loben.

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