SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

„Jeder ist seines Glückes Schmied" hat der Tennistrainer gesagt, den ich auf einer Reise getroffen habe.
Er arbeitet mit Leistungssportlern. Ich bin Krankenhausseelsorgerin. Ich habe es mit Kranken und  behinderten Menschen zu tun. Wir haben uns unterhalten und waren uns ruckzuck uneinig - ist ja auch kein Wunder, finde ich.
Sein Motto war: ‚Jeder ist seines Glückes Schmied' - Erfolg und Glück seien vor allem Einstellungssache. Gerade im Sport ließe sich das wunderbar nachweisen. Seine Erfahrung: Wer fleißig genug trainiert und auch hart gegen sich selbst ist, der wird auch mit Siegen belohnt. Und selbst wenn man mal an seine Grenzen stößt, gibt es bestimmt einen anderen Weg, um auf jeden Fall erfolgreich zu sein. Man muss sich einfach nur am Riemen reißen und gefälligst anstrengen. Wer das nicht hinbekäme, sei einfach zu schwach und hätte weder Erfolg oder Glück verdient. Es lohnt nicht, so einen zu unterstützen.
Schon beim Zuhören ist mir fast der Kragen geplatzt. Ich hatte den Kopf voll mit Bildern von Kranken und Schwachen, die nichts für ihr Unglück können und deshalb Unterstützung und Ermutigung brauchen.
Also habe ich mich ins Zeug gelegt, um den Trainer von meiner Sicht der Dinge zu überzeugen. Das hat natürlich nicht geklappt.
Zurück zuhause - mit genügend Abstand, ist mir diese Begegnung wieder in den Sinn gekommen. Jetzt kann ich ein bisschen ruhiger darüber nachdenken.
Im Leistungssport mag die Erfolgstheorie des Trainers vielleicht zutreffen. Ohne hartes Training kommst du nicht an die Spitze und wenn du Schwäche zeigst, bist du draußen. Leistungssport ist anscheinend gnadenlos.
Gott sei dank lässt sich das aber nicht aufs ganze Leben übertragen. Denn im menschlichen Leben hat Gott seine Finger im Spiel und der ist eben nicht gnadenlos. Er stellt auch andere Spielregeln auf. Bei ihm heißt es zum Beispiel: „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig" und er hat dabei Menschen im Blick, die trotz und gerade mit ihrer Schwäche die Welt verändern und ein bisschen besser machen.
Im Leistungssport und auch sonst mag es gnadenlos zugehen: Wer Schwäche zeigt, wird ausgebootet. Aber gottseidank läuft es oft genug auch genau anders. Dafür sorgt Gott, weil ihm die Menschen mit all ihren Schwächen am Herzen liegen. Und wenn ich zu schwach bin um irgendwas zu schmieden - dann schickt Gott Hilfe und Helfer.  Was für ein Glück!

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