SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Ab wann gehört man eigentlich zu den Senioren? Über diese Frage habe ich mich neulich länger mit einem frisch gebackenen Rentner unterhalten. Er zählte sich jedenfalls mit über 60 Jahren noch nicht dazu. Vielleicht auch, weil „alt sein" in unserer Gesellschaft einen negativen Beigeschmack hat. Alt will heutzutage keiner sein - im Gegenteil: man tut jede Menge, um möglichst lange jung zu bleiben.
Und trotzdem - irgendwann kommt er, der Punkt, an dem man nicht mehr abstreiten kann: ich werde und bin eindeutig älter geworden. Die Gartenarbeit fällt schwerer, beim Autofahren ist auf die Augen nicht mehr so Verlass und für viele Dinge muss man sich mehr Zeit nehmen als früher. Der Körper zeigt Grenzen auf.
Zuerst ist das ein Schreck und tut ganz schön weh. Das verstehe ich, obwohl ich erst Mitte 30 bin. Wer verliert schon gerne etwas - schon gar wenn es keinen Ausgleich zu geben scheint.
Den gibt es aber - lese ich jedenfalls in der Bibel.
Typisch, könnte man seufzen, die Bibel bügelt glatt, spült etwas weich, was alles andere als glatt und weich ist. Aber alt werden und alt sein - das ist nun mal schwer.
Ich finde aber - die Herausforderung des Alterns weichspülen - gerade das tut die Bibel nicht, sondern sie nimmt das mit dem Altern ernst. Und erzählt die Geschichte vom 80jährigen Mitarbeiter des israelitischen Königs (2. Sam. 19, 32-40). Der kennt seine Grenzen und als der König ihn als Belohnung für seine treuen Dienste an den Hof nach Jerusalem einlädt, lehnt er dankend ab. Das ist ihm zu viel. Er ist zufrieden mit dem, was er hat und worauf er zurückblicken kann. Er muss nicht noch einmal etwas Neues haben, deshalb schickt er einen anderen an seiner Statt und kehrt nach Hause zurück.
Mehr wird von ihm nicht erzählt. Trotzdem finde ich die Geschichte stark!
Dieser alte Mann zeigt eine Haltung, die ich schon bei so manchen alten Menschen entdeckt habe und die ich bewundere.
Das ist die Dankbarkeit und die Zufriedenheit. Da ist jemand dankbar für das, was er erlebt hat, was ihm geschenkt worden ist in den vielen Jahren. Und - er ist zufrieden, kann sich auch an den kleinen Dingen erfreuen, die er im Leben hat. Den ganz großen Rummel am Königshof braucht er nicht mehr, den gönnt er jemand anderem. Eine tolle Einstellung, finde ich - eine, die ich mir gerne abschauen möchte. Was spielt es dann für eine Rolle, ob man sich selbst zu den Senioren zählt oder nicht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13180
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