Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Zu meinem 13. Geburtstag hab ich von meiner Oma eine Klassik-CD geschenkt bekommen: Bach, Brandenburgische Konzerte. „Damit ihr jungen Leute auch mal richtige Musik zu hören kriegt", hat sie dazu gesagt. „Das ist die schönste Musik, die es gibt."
Vielleicht hätte ich die CD sogar mal angehört, wenn sie einfach so auf meinem Geburtstagstisch gelegen hätte. Aber verbunden mit der Erwartung, dieses Geschenk in jedem Fall gut finden zu müssen, habe ich die CD schon wenige Tage später bei meinen Eltern untergebracht.
Auch wenn ich mich als Kind furchtbar über diese pädagogischen Geschenke geärgert habe, tappe ich heute auch manchmal in diese Falle - und verschenke etwas, von dem ich gern hätte, dass der andere es gut findet. ...Dann fühle ich mich ertappt - und auf einmal habe ich gar keine Freude mehr an meinem Geschenk. Dabei ist das Schöne am Schenken ja gerade das: Sich darüber zu freuen, dass ein anderer sich freut. Sich sozusagen zurück zu freuen.
Schenken ist also eine Kunst - man muss spüren, ob ein Geschenk passend ist und man muss dem Beschenkten die Freiheit lassen, unverstellt darauf reagieren zu können.
Das gilt auch für das Leben insgesamt: Ich verstehe es als ein Geschenk von Gott. Als freie Gabe von ihm an mich - ganz ohne Hintergedanken: Vielmehr freut sich Gott daran, wenn ich mich freue: am Sternenhimmel, an den frisch gepflückten Erdbeeren, am eiskalten Bach am heißen Sommertag.
Nur einer kann so einem Geschenk im Weg stehen, denke ich: Der Beschenkte selbst: Er muss das Geschenk schließlich als freie Gabe annehmen können. Erst dann kann dem Geber sein Schenken gelingen. Dazu ein Gedanke von Lothar Zenetti:

Einmal wird uns gewiss die Rechnung präsentiert
für den Sonnenschein und das Rauschen der Blätter,
die sanften Maiglöckchen und die dunklen Tannen,
für den Schnee und den Wind, den Vogelflug und das Gras
und die Schmetterlinge, für die Luft, die wir geatmet haben,
und den Blick auf die Sterne und für alle die Tage, die Abende und die Nächte.

Einmal wird es Zeit, dass wir aufbrechen und bezahlen.
Bitte die Rechnung. Doch wir haben sie ohne den Wirt gemacht:
Ich habe euch eingeladen, sagt der und lacht, so weit die Erde reicht:

Es war mir ein Vergnügen!

Ich glaube: So schenkt mir Gott das Leben, damit ich mich freue. Dann freut er sich über mich.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13166
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