Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Der Schüler Mirko erzählt mir nach der Schulstunde, dass er mit seinem Handy per SMS mit seiner Freundin Schluss gemacht hat. Ich schaue ihn an und frage ihn, ob er beim Tippen geweint habe? Seine Antwort ist kurz: „Wieso, das macht man heute so. Per Handy. Einfach und schmerzlos!"
Mirko gehört zur jungen Generation und ich merke: Die jungen Leute haben da ihre eigenen Methoden.
Klar, auch früher war das Beenden einer Beziehung nie ein Akt der Nächstenliebe. Aber eine Liebesbeziehung zu beenden mit nur einem Satz, mit einer Kurzmitteilung, einem simplen Federstrich auf dem Papier? Das wäre uns nicht in den Sinn gekommen und ich finde auch heute: Das geht gar nicht!
„Mirko", sage ich, „wie trittst du ihr denn in Zukunft unter die Augen? Immerhin seid ihr auf der gleichen Schule! Nur mit einer SMS... geht das wirklich? Er schaut verschämt auf den Boden und sagt: „Ich meide halt den Blickkontakt zu ihr."
„Was kannst du tun?", frage ich. „Das ist ja eine Last für euch beide! Dass du mit ihr nicht mehr weiter willst, das muss sie und das wird sie akzeptieren. Wenn Du aber demnächst vor ihr immer auf den Boden schaust, das ist keine gute Perspektive. Was hältst Du von Aufrichtigkeit?"
Mirko ringt mit sich. In seinem Gewissen tut sich etwas. Und dann fragt er mich: „Hatten Sie früher auch so viel Angst?"
Und es sprudelt aus ihm heraus: „Ich glaube, ich habe Angst ihr das selber zu sagen. Ich weiß ja, es wäre besser, so face to face. Aber ich trau mich nicht!"
„Mirko, ich hatte früher auch Angst, so wie Du jetzt vielleicht. Es ist gut, dass Du das Gefühl in Dir spürst und zulässt. Das alles, was dir im Kopf ist: Schreib´s doch mal in dein Handy, Du bist doch schnell mit den Fingern! Wenn es fertig ist, vielleicht schreibst du es dann auf ein Papier..., auf ein schönes Papier und dann gibst du ihr den Brief vielleicht morgen in der Pause? Sie wird ihn lesen. So bleibt es eure Geschichte. Vielleicht macht das weniger ängstlich, wenn ihr euch dann mal wieder in die Augen schaut.
Mirko schaut mich an. Ich sehe eine Träne in seinem Auge. Und dann verblüfft er mich mit diesem unglaublichen Satz: „Vielleicht will sie mich ja dann auch wieder, wenn ich nicht mehr so blöd bin und auf cool mache wie bisher!"

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