SWR3 Gedanken

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Es ist mal wieder Zeit für einen Besuch bei Tante Katharina. Letzte Woche ist sie 84 Jahre alt geworden. Noch immer lebt sie in ihrer kleinen Wohnung und kann sich ganz gut selbst versorgen. Ich fahre gern zu ihr, denn ihr Erdbeer-Sahne-Kuchen ist einfach himmlisch. Und wenn sie ins Erzählen kommt, dann kann ich ihr stundenlang einfach nur zuhören und alles um mich herum vergessen.
Heute hat sie ein paar Fotoalben auf dem Tisch liegen und blättert darin. Ab und zu zaubert ein Bild ein liebevolles Lächeln in ihr Gesicht und sie streichelt fast zärtlich über die Seiten des Albums. „Das hier ist mein Großvater", sagt sie. „Ich bin seine einzige Enkeltochter und uns verbindet etwas ganz besonderes. Auch wenn er schon lange tot ist".
„Kathi, du bist meine Augenweide, hat er immer zu mir gesagt" Augenweide - was für ein seltsames, altes Wort. Es passt zu meiner Tante. Augenweide - dazu fällt mir ein Satz aus der Bibel ein. In einem Psalm heißt es von Gott: „Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser". Was so viel heißt wie: ich kann mich in jeder Situation auf meinen Gott verlassen. Ich bin ihm nicht egal. Und er weiß, was ich zum Leben brauche.
„Kathi, du bist meine Augenweide", hat der Opa zu Tante Katharina immer gesagt. Er war extrem kurzsichtig, musste alles immer ganz dicht vor seine Augen halten: Du bist meine Augenweide, hat er gesagt. Du tust mir gut, auf dich kann ich mich verlassen. Schön, dass du einfach da bist! Auch du machst mein Leben reich und wertvoll.
Ich werde heute meine Augen weit aufmachen und meine Augenweide suchen. Oder vielleicht selber für einen anderen zur Augenweide werden.

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