Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Vor dem eigenen Tod ist mir nicht bang,
nur vor dem Tod derer, die mir nah sind.
Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind?
Mascha Kaleko hat das geschrieben nach dem Tod ihres erwachsenen Sohnes.
Da war sie 61 Jahre alt und eine berühmte Dichterin. Aber all der Ruhm, die Freunde, nicht einmal ihr geliebter Mann konnte sie nicht trösten. Und sie fragt: Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind?
Eine Frau, deren Sohn mit 17 Jahren gestorben ist, sagte mal zu mir: Wenn mich die Trauer überfällt, dann gibt es niemanden, der mich trösten könnte, nicht einmal Musik. Aber manchmal setze ich mich dann in den Garten. Schaue dem Spiel der Blätter zu und höre, wie der Wind durch die Äste rauscht. Und dann geht es mir besser. Dann fühle ich mich irgendwie gehalten und verbunden mit einem größeren Ganzen.
Trauer kennt viele Wege und jeder Weg ist richtig.
Heute am Totensonntag bekommt in den Gottesdiensten die Trauer ihren Raum. Jemand liest die Namen derer vor, die im vergangenen Jahr verstorben sind, und dann wird für jeden eine Kerze angezündet. In manchen Gottesdiensten sind das ziemlich viele, sodass am Ende ein Lichtermeer das Dunkel der Kirche erhellt.
Es wird nicht immer dunkel bleiben. Eines Tages werden wir Antwort bekommen auf die vielen Fragen und Klarheit über die Ungereimtheiten in der Welt. Jetzt sehen wir nur durch einen Spiegel, schreibt der Apostel Paulus, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkennen wir nur stückweise. Dann aber werden wir erkennen wie wir erkannt sind.
Gott kommt uns aus der Zukunft entgegen. Als Licht am Ende des Tunnels. Als eine Hand, die uns hält und herauszieht aus dem Sog der Sprachlosigkeit. Als Liebe. Nur die Liebe ist so stark wie der Tod. Nur die Liebe kann den Tod überwinden.
Einmal habe ich einen Steinmetz besucht, der Grabsteine macht- und zwar für Kinder. Die Eltern, die ein Kind verloren haben, sagen ihm, wie sie das gerne hätten. Und manche nehmen dann selbst Hammer und Meißel in die Hand und bearbeiten den Stein, der auf dem Grab ihres Kindes stehen soll. Und der Steinmetz ist immer dabei und hilft ihnen.
Warum, habe ich ihn gefragt, lassen Sie die Trauer und den Schmerz so nah an sich heran? Warum arbeiten Sie gerade mit trauernden Eltern? Da zeigt er mir ein Bild von einem jungen Paar, das sein totes Kind in den Armen hält. Und er sagt. Schauen Sie sich doch mal das Gesicht dieser jungen Leute an. Ich habe noch nie so viel Liebe gesehen wie auf diesem Bild.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=131
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