SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Sein Leben liest sich wie eine Verbrechergeschichte. Ich spreche von Jakob, einem der Erzväter Israels, der wichtigsten Männer in der Bibel. Jakob ist kein moralischer Supermann, sondern nüchtern betrachtet muss man sagen, er hat ganz schön viel Dreck am Stecken. Er ist von einem Zwillingspaar nur der Zweitgeborene und damit nicht der Erbe. Aber listig und durchtrieben wie er ist, luchst er seinem etwas einfältigen Zwillingsbruder Esau das so wichtige Erstgeburtsrecht ab. Und mit Hilfe seiner Mutter Rebecca erschleicht er sich auch noch den väterlichen Segen. Und wer in seiner Jugend schon so gut mit Lug und Trug umzugehen weiß, der macht natürlich als Erwachsener damit weiter. Mit einem Trick reißt sich Jakob einen großen Teil der Viehherden seines Schwiegervaters Laban unter den Nagel. Des Öfteren muss Jakob in seinem Leben fliehen und meist vor der eigenen Familie. Jakob ist eher ein Gauner als ein Heiliger. Und so jemanden macht Gott zum Stammvater seines auserwählten Volkes. Gott liebt ihn trotzdem, warum? Da gibt es noch die Geschichte vom Kampf Jakobs am Fluss Jabbok. Man weiß nicht genau, ist es ein Traum oder Wirklichkeit, auf alle Fälle wird erzählt, dass Jakob die ganze Nacht hindurch mit Gott kämpft, Mann gegen Mann und keiner von ihnen kann gewinnen. Und am Ende des Kampfes hinkt Jakob, aber er nötigt Gott, ihn zu segnen. Und er bekommt von Gott nicht nur einen Segen, sondern auch noch einen neuen Namen: Israel, der der mit Gott kämpft.
Für mich eine tröstliche und befreiende Geschichte. Gott liebt den Stammvater Jakob nicht weil er ein moralischer Supermann ist und alles richtig macht, sondern weil er mit Gott kämpft. Weil er mit ihm ringt, nicht von ihm loslassen kann. Wichtiger als moralisches Wohlverhalten ist die Beziehung zu Gott. Man kann ein Schlitzohr sein und trotzdem mit Gott was am Hut haben. Denn Glaube ist mehr als Moral.

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