SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

"Spargel gibt es bei uns nur bis Johannes." Mit diesem Satz mussten sich einige Frauen aus unserer Gemeinde im letzten Jahr abfinden. Sie wollten nach dem 24. Juni - dem Johannestag - eine Fahrt machen und diese mit einem schönen Spargelessen abschließen. Der Wirt des Ausflugslokals, das für seinen frischen Spargel bekannt ist, aber lehnte ab. Denn Spargel gibt es bei ihm nur bis Johannes.
Das war überraschend, denn wir haben uns mittlerweile daran gewöhnt, Obst und Gemüse auch unabhängig von der jeweiligen Jahreszeit einkaufen zu können: Erdbeeren im Winter, Weintrauben im Frühjahr und Tomaten das ganze Jahr hindurch. Der Anbau in Gewächshäusern und der Transport mit dem Flugzeug aus fernen Ländern macht's möglich. Von dem jahreszeitlichen Rhythmus, den uns die Natur vorgibt, haben wir Menschen uns weitgehend befreit.Von der Natur unabhängig zu sein ist menschlich, das unterscheidet uns gerade vom Tier. Mithilfe unseres Geistes, unserer technischen Erfindungen können wir die Natur überlisten. Im Prinzip ist das gut so, denn gegen Zentralheizung und warmen Wasser aus der Leitung hat sicherlich niemand was einzuwenden. Aber trotzdem - wie bei so vielem - ist nicht alles, was  technisch möglich ist, unbedingt gut für den Menschen. Denn wer zu jeder Zeit alles haben kann, weiß am Ende nichts mehr zu schätzen. Wer sich zu weit von den Abläufen der Natur, wir Christen sagen, der guten Schöpfung Gottes, entfernt, verliert schnell das Maß, wird übermütig und glaubt sich die Welt selbst erschaffen zu können. Und was dabei herauskommt sind häufig nur wässrige Tomaten und Erdbeeren ohne Aroma. Wir Menschen können zwar schöpferisch tätig sein, aber letztlich bleiben wir Geschöpf, und damit Teil der Natur.  Daran erinnert der Wirt, der konsequent nach Johannes keinen Spargel mehr auftischt. Heute in einem Monat ist Johannestag. Also noch genug Zeit um frischen Spargel zu essen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13085
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