SWR2 Wort zum Tag

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 Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich (Lukas 18,27). Diesen Satz aus dem Lukasevangelium haben wir für unseren Sohn als Taufspruch ausgesucht. „Das ist mal ein guter Taufspruch", hat meine Freundin als Patentante damals ganz spontan gesagt. „Wenn später als Teenager jemand zu ihm sagt „des isch doch unmöglich", dann kann er sich daran erinnern und er selbst bleiben, statt sich immer anzupassen." Ich habe gestaunt. Sicher: Diese Auslegung entspricht nicht direkt dem Sinn der Geschichte, zu der der Satz in der Bibel gehört. Da geht es um einen gutsituierten und rechtschaffenen jungen Mann, der auf Jesus zukommt und wissen möchte, wie er ganz in Gemeinschaft mit Gott leben kann. Und Jesus gibt ihm den Auftrag, all sein Vermögen den Armen zu geben. Das aber, weiß der junge Mann, wird er nicht schaffen, und er geht traurig fort. Die Menschen, die die Szene beobachtet haben, fragen Jesus betroffen: Wer kann denn das überhaupt schaffen? Und Jesus antwortet mit genau diesem Satz: Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich. Es geht also im Taufspruch unseres Sohnes eigentlich nicht um eine Bewertung von möglichem und unmöglichem zwischenmenschlichem Verhalten. Aber es geht durchaus um die Möglichkeiten und Maßstäbe Gottes, die immer noch einmal größer und weiter sind, als wir sie uns vorstellen. Und insofern hat die sehr unkonventionelle Auslegung der Patentante vielleicht doch auch einen sehr biblischen Kern. Und sie wird auch jetzt schon aktuell, lange vor dem Teenageralter. Unser Sohn ist jetzt drei Jahre alt - und verhält sich manchmal unmöglich. Und ich denke öfter an seinen Taufspruch. Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich. Klar, ich bleibe dabei: Haareziehen und Mit-Schimpfwörtern-um-sich-Werfen sind keine Möglichkeiten des menschlichen Zusammenlebens, und es ist keinem gedient, wenn er das nicht lernt. Aber trotzdem: Der Satz von Jesus lässt mich vorsichtig werden damit, mein menschliches und persönliches Urteil über andere absolut zu setzen. Besonders dann, wenn es nicht mehr eine bestimmte Verhaltensweise, sondern gleich den ganzen Menschen betrifft: Ein unmögliches Kind, ein unmöglicher Schüler, eine unmögliche Nachbarin. Der Taufspruch meines Sohnes sagt mir: Meine menschlichen Grenzen der Kraft und  Geduld sind nicht notwendig auch Gottes Grenzen. Gottes Maßstäbe und Möglichkeiten größer und weiter als ich es mir vorstellen kann. Das zu wissen finde ich hilfreich im Umgang mit anderen. Und tröstlich für mich selbst, wenn ich mich einmal unmöglich verhalten habe.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13080
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