SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Darf man sich seine Religion selbst basteln? Manche Menschen versuchen das, scheint mir. Ein bisschen Räucherstäbchen, ein bisschen „Friede auf Erden", ein bisschen Yoga und Wiedergeburt und natürlich der liebe Gott, der für mich da ist, wenn ich ihn brauche. Aus solchen Einzelteilen basteln sich manche Menschen ihren Glauben zusammen. Patchworkreligion nennt man das dann. So neu ist das aber gar nicht, dass sich Leute den Glauben so zurechtbasteln, dass er zu ihnen passt. Ich finde Gott nicht in der Kirche sondern frühmorgens im Wald, das behaupten viele. Und dass man an Gott glauben kann ohne die altertümlichen Geschichten aus der Bibel - das sagen mir immer wieder Leute. Ich spüre Gott in meinem Inneren, sagen sie - ich brauche dafür die Bibel nicht. Am Ende glauben wir doch sowieso alle an denselben Gott. Ich weiß nicht, ob man es sich damit nicht zu einfach macht. Für mich ist da nämlich ein Riesenunterschied und ich frage mich: Was ist zuerst: Mein Ich und ich mache mir dann den Glauben so, wie er zu mir passt und mir gut tut. Oder ist da zuerst Gott, der sich den Menschen zeigt und der manchmal schwer zu verstehen ist. Wir Christen glauben an so einen Gott - der sich gezeigt hat. Mit Abraham hat er gesprochen und ihm eine große Zukunft versprochen. Mose hat er sich in einem brennenden Dornstrauch gezeigt und ihn losgeschickt, um die unterdrückten Israeliten aus der Sklaverei zu befreien. Und vor allem: In Jesus hat Gott sein menschliches Gesicht gezeigt. Er ist Mensch geworden, bekennen wir Christen, geboren von Maria. Dieser Jesus hat mit seinem Verhalten gezeigt und mit seinen Geschichten erzählt, wie Gott ist. In der Bibel kann man das alles nachlesen und versuchen, zu verstehen, was das nun zu bedeuten hat, für Menschen heute. Diesen Gott kann ich mir nicht selbst basteln, er ist ein Gegenüber, so wie Menschen mein Gegenüber sind. Ich kann mich bemühen, ihn kennen zu lernen. Ich muss mich mit manchem auseinandersetzen. Ich erfahre Neues und manches kann ich nicht akzeptieren. Das muss ich dann aushalten. Manchmal merke ich mit der Zeit: Das tut mir gut, was ich da an Neuem erfahren habe. Ich gebe zu, das ist ein bisschen unbequemer, als wenn man sich seinen eigenen Gott schafft, wie er einem in den Kram passt. Andererseits: Mir wäre das nicht genug, ein Gott, den ich mir wie beim Patchwork zusammen gesetzt habe, bis er mir angenehm ist und zu mir passt. Das wäre dann ja eigentlich bloß mein eigenes vergöttertes Spiegelbild. Ich glaube dagegen, dass es umgekehrt ist - dass Gott mich zu seinem Bild geschaffen hat. Und ich finde: Das ist gut so.

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