SWR2 Wort zum Tag

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Ein Staatschef hatte sich entschlossen, zu seinem runden Geburtstag einen prächtigen Empfang zu geben. Er ließ Hunderte von Einladungskarten drucken und an Regierungspersönlichkeiten, Staatssekretäre, Botschafter, Aufsichtsratsvorsitzende und andere Größen des Polit-Show-Geschäfts versenden. Doch die Rückmeldungen tröpfelten nur langsam ein.
Der Staatschef beauftragte seine Referenten, bei den geladenen Gästen telefonisch nachzuhaken. Das Ergebnis war mager. Einer nach dem andern bedankte sich förmlich und mit freundlichen Worten, um im nächsten Augenblick seine Unpässlichkeit zu entschuldigen. „Tut mir leid, ich muss zuhause eine kleine Militärparade abnehmen", sagte einer. - „Ich bin in diesen Tagen gerade in meinem Bungalow auf den Bahamas", ein anderer. - „Ich bitte um Nachsicht, aber ich bin in der besagten Woche schon bei fünf anderen Empfängen und kann einfach keine Büffets mehr sehen." Und so ging es weiter. So ähnlich hat es Jesus erzählt, in einem seiner Gleichnisse. Oft haben sie die unkalkulierbare und zugleich verschwenderische Liebe Gottes zum Thema. Das Überraschende in Jesu Gleichnissen ist immer wieder das unorthodoxe, vermeintlich unkorrekte Verhalten des Protagonisten. In dieser Pointe liegt die Botschaft. So auch beim Staatschef in dieser Geschichte: In dessen sich wandelndem Verhalten kann man etwas von der unbegrenzten Liebe Gottes zu den Menschen ablesen, die sich eben nicht nach Stand und Geburt, nicht nach Rang und Namen richtet. „Ich habe offenbar die falsche Gästeliste gemacht", korrigierte sich der Staatschef nach den zahllosen Absagen. Ein Gott, der sich korrigiert? Vielleicht eher einer, der die falschen Vorstellungen korrigiert, die sich Menschen von ihm gemacht haben. In Jesu Gleichnis findet das Fest der verschwenderischen Liebe Gottes statt, aber mit ganz anderen Hauptpersonen: Der runde Geburtstag kam, die ergangenen Einladungen waren abgesagt. Stattdessen bauten die Köche ihr Büffet in der Bahnhofshalle der Hauptstadt auf. Die Kellner servierten Getränke auf den Bahnsteigen und zwischen den Gleisen. Einige Reisende nahmen sich die Häppchen hastig im Vorbeigehen. Andere entschlossen sich spontan, nicht zur Arbeit zu gehen, und blieben den ganzen Tag im Bahnhofsgebäude. Die Stimmung war erstklassig - und noch Tage später hatten die Tauben im Bahnhof damit zu tun, die Speisereste aufzupicken.

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