SWR2 Wort zum Tag

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Leon hat keine Lust zu warten, bis sein Vater stirbt. Er will das nötige Kleingeld zum Leben, das ihm der Vater nach dem Tod vermachen wird, jetzt gleich haben. Leons Vater besitzt eine veritable Firma: Software für medizinische Datenverarbeitung. Die würde einmal sein älterer Bruder übernehmen. Immerhin arbeitet der bereits seit fünf Jahren in der Chefetage des Betriebs. Da bleibt Leon - gerade mal fertig mit der Schule - gar keine Chance. Wenn es also irgendwann ans Ausbezahlen geht, warum nicht gleich? Das könnte eine alltägliche Geschichte aus dem Jahr 2012 sein, Auftakt für einen Spielfilm vielleicht. Tatsächlich hat sie Jesus erzählt, jedenfalls dem Grundzug nach. Ich habe sie lediglich etwas aktualisiert. Interessant ist, was im weiteren Verlauf zwischen Vater und Sohn geschieht: Der Vater will sich nicht querstellen und zahlt den jüngeren Sohn aus - im Vertrauen darauf, dass der Junge etwas Ordentliches damit anfangen wird. Leon macht erst einmal Urlaub. Drei Wochen Venezuela, zwei Wochen Segeltörn in der Karibik, dann Florida und die Bahamas - sein Vermögen schmilzt wie Eis in der Sonne. Irgendwann steht er so blank da, dass er bei der Müllabfuhr jobben muss und früh morgens den Strand fegt, bevor die Touristen aus den Hotels strömen. Derart auf den Hund gekommen wünscht er sich in die Firma seines Vaters zurück. Doch: Wird der ihn, nach allem, was er sich geleistet hat, überhaupt einstellen wollen? Vielleicht als Fahrer oder als Reinigungskraft - und das allein wäre schon besser als alles, was Leon gerade erlebt. So entschließt er sich schweren Herzens, dem Vater eine Mail zu senden, um sich bei ihm zu entschuldigen. Und nun kommt diese großartige überraschende Wende in Jesu Gleichnis: die Reaktion des Vaters, die ohne Abrechnen, ohne Nachtragen, ohne Kalkül auskommt. Der Sohn bleibt eben Sohn. Eine Geschichte über Gott und die Menschen? Jesus mag sie so verstanden haben. Auch schief gegangene Lebensentwürfe sind kein Ausschlusskriterium für Gottes Liebe. „Lass uns feiern", sagt der Vater, als Leon in der Tür steht. „Was denn feiern?", fragt Leon erstaunt. „Dich." - „Da gibt's nichts zu feiern. Ich habe versagt", murmelt Leon. Doch sein Vater hält ihn fest im Arm: „Du bist mir verloren gegangen und nun habe ich dich wiedergefunden."

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