SWR3 Gedanken

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Ach lass doch, raunt mir meine Tochter zu. Sie hat es eilig. Doch als ich das Wechselgeld in meiner Hand betrachte, stutze ich. Zwei Brezeln und zwei Getränke habe ich gerade bezahlt. Die Frau hinter der Theke hat mir einen Euro zu viel herausgegeben. Ein Rechenfehler. Einen Moment lang zögere ich - und gehe dann doch zurück zur Theke.
Mein kurzes Zögern hat mich noch eine Weile danach beschäftigt. Die üblichen Argumente huschten mir alle blitzschnell durch den Kopf: Steck ihn einfach ein, er gehört jetzt dir. Ist doch deren Problem, wenn sie nicht rechnen kann. Der eine Euro bringt niemanden um. Stimmt irgendwie alles. Aber der eine Euro war ja gar nicht mein Problem. Mein Problem war die Ehrlichkeit. Und wenn die schon bei einem Euro ins Wanken gerät, warum dann nicht auch bei 10 oder 100. Es mag ja durchaus sein, dass auch viele andere nehmen, was sie kriegen können. Doch eine Entschuldigung fürs eigene Verhalten ist so etwas nie und nimmer. Und genau genommen möchte ich so auch gar nicht leben. Denn für Ehrlichkeit eintreten und werben kann ich nur glaubhaft, wenn ich mich auch selber so verhalte. Und zwar schon beim Banalsten und Kleinsten. Handle jeden Tag so, als ob dein Handeln ein Gesetz für alle Zeiten wäre, hat sinngemäß der Philosoph Immanuel Kant einmal geschrieben. Etwas Ähnliches findet sich sogar schon in der Bibel, aufgeschrieben vor fast 3000 Jahren. Uralte moralische Leitplanken fürs Leben. Doch Sie fangen noch immer bei mir selber an.

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