Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Da hab ich mich wieder mal voll aufgeregt über ein unmögliches Verhalten eines anderen. „Wie kann man nur ..." und „Typisch ...!" Und während ich mich immer mehr reinsteigere, sagt mein Freund zu mir: „Nun komm mal wieder runter. Denk doch mal an letzte Woche. Du verhältst Dich doch auch nicht viel anders." - Ertappt, erwischt! Er hat recht. Wie peinlich.
Bei einer Begebenheit aus dem Alten Testament ist es ähnlich. Da ist der Prophet Nathan eines Tages zum König David gekommen. Er hat ihm von Gott her etwas mitzuteilen. Der Lebensstil des Königs ist zu rügen und nicht im Sinne Gottes. Besonders betrifft das seine Affäre mit einer verheirateten Frau. Doch, wie soll er's dem König sagen? Wie sagt man etwas, damit es ankommt und angenommen werden kann? Keine leichte Aufgabe.
So ging Nathan zum König und erzählte ihm eine Geschichte. Ein armer Mann hegt und pflegt sein ein und alles: ein einziges, kleines Schaf. Mehr hat er nicht. Daran hängt sein ganzes Herz. Und weil sein Nachbar, ein reicher Mann, Gäste bekommen hatte, und keines seiner eigenen vielen Schafe schlachten wollte, nahm er das Schaf des armen Mannes, um es seinen Gästen vorzusetzen. Welch ein Skandal, ohne Skrupel und Gewissensbisse; und anscheinend hat er auch noch das Recht auf seiner Seite.
Der König hört sich das alles an und er reagiert. Das Verhalten des reichen Mannes war so offensichtlich falsch und gemein, dass der König erbost ausrief: „Der Mann, der das getan hat, verdient den Tod". So geht's nicht! Das muss geahndet werden. -
Nach dieser Erkenntnis kommt nun der entscheidende, folgenschwere Satz des Propheten: „Du bist der Mann!" - Du bist genauso wie dieser Mann, den Du eben zu Recht kritisiert und verurteilt hast. Da gehen David die Augen auf, und er erkennt sein eigenes Fehlverhalten und die Schwere seiner Schuld. „Du bist der Mann!" Und er bricht zusammen und weint.
Manchmal braucht's mehr als die nackten Fakten, um zur Einsicht zu kommen. Manchmal braucht es Menschen, die einen drauf hinweisen, die einem das sagen, u.z. so, dass wir's erkennen und annehmen können. Vielleicht hilft eine Geschichte dabei, ein Vergleich, ein Bild. So können Beide das Gesicht wahren, und es wird dennoch angesprochen.
Ich wünsche mir Mut und das nötige Fingerspitzengefühl, wenn ich andere auf etwas hinweisen muss - und genügend Selbsterkenntnis, wenn es um mein eigenes Fehlverhalten geht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13001
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