SWR3 Gedanken

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Erst fünfzig Jahre ist es her, da gab es in dem Dorf, in dem ich einmal gearbeitet habe, einen katholischen und einen evangelischen Ortsteil. Dazwischen lag eine unsichtbare Grenze, die man nur überquerte, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Eine Liebe oder gar eine Eheschließung über die unsichtbare Konfessionsgrenze hinweg, war damals jedenfalls ein unkalkulierbares Wagnis.
Die beiden Ortsteile gibt es heute noch und auch die beiden Kirchen sind noch immer ein wichtiger Faktor im Dorfleben. Über die Geschichten von damals schmunzeln die Leute jetzt und dennoch machen sie verständlich, warum die großen Kirchen erst vor zwei Wochen offiziell die Taufe der jeweils anderen anerkannt haben. Als verbindendes Element aller Christen war sie zwar seit vielen Jahren schon stillschweigend toleriert. Mit der feierlichen Unterzeichnung einer Urkunde allerdings wurde das Stillschweigende nun formell und öffentlich. Von der Einigung in anderen Fragen sind die getrennten Kirchen leider noch weiter entfernt. Mehr als 400 Jahre haben eben auch neue, eigene Identitäten geschaffen, die keiner so einfach über Bord werfen kann. Strittige Fragen bleiben fürs Erste ungelöst und echte Bewegung scheint es derzeit auch nicht zu geben.
Die Menschen in dem ehemals getrennten Dorf stört das übrigens nur wenig. Sie leben einfach christliche Gastfreundschaft, so gut und so weit das eben möglich ist. Wenn sie dann sehen, was in nur 50 Jahre an Positivem geschehen ist gegenüber Jahrhunderte dauerndem Argwohn, gibt ihnen das Zuversicht. Sie hoffen einfach, dass die Entwicklung weitergeht und in einigen Jahrzehnten auch Dinge möglich sein werden, die heute noch undenkbar erscheinen. Ein wichtiges Wort der Bibel haben sie dabei übrigens auf ihrer Seite: Ich bete darum, dass sie alle eins seien, sagte Jesus einmal über seine Jünger. Bis dahin sind freilich noch einige Urkunden zu unterzeichnen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1296
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