SWR3 Gedanken

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Ein krankes, ein behindertes Kind zu haben, das ist eine große Aufgabe, die viel Kraft kostet. Immer wieder Hoffnung haben auf Besserung, auf Heilung gar, auf bessere Bedingungen, bessere Ärzte und dann doch enttäuscht werden.
Die betroffenen Mütter und Väter - meist sind es Mütter - hetzen von Pontius zu Pilatus, von Arzt zu Arzt, von Behörde zu Behörde. Oft schauen sie in die gleichen entnervten Gesichter. Leute, die es nicht sagen, aber denken: „Nein, die schon wieder..."
Von einer solchen Mutter berichtet die Bibel - und das entnervte Gesicht, in das sie schaut, das war das Gesicht von Jesus! Ja, auch Jesus war ein Mensch und von dieser menschlichen Seite erzählt die Geschichte.
Die Frau, Mutter einer kranken Tochter, hat es sich in den Kopf gesetzt, dass Jesus ihre Tochter heilen soll - und so läuft sie ihm Tag und Nacht hinterher, bedrängt ihn, bittet ihn, will, dass er ihr hilft. Und irgendwann ist Jesus total entnervt und es platzt aus ihm heraus: „Schluss jetzt. Ich bin gekommen, um mich um das Volk Gottes zu kümmern und du gehörst nun mal nicht dazu. Du bist nur eine Heidin, eine Andersgläubige, eine Ungläubige." Und dann vergleicht er sie auch noch mit einem Hund und sagt wortwörtlich: „Es ist nicht recht, dass man den Kindern ihr Brot nimmt und es vor die Hunde wirft."
Und was macht die Frau mit dieser Beleidigung? Sie macht, was Mütter von kranken Kindern seit altersher tun: sie kämpft. „Selbst wenn ich ein Hund bin, auch ein Hund braucht was zu fressen", sagt sie.
Damit erreicht sie Jesus. Und Jesus lässt sich erreichen. Ist gerührt und erschüttert und sagt: „Frau, dein Glaube ist groß, dir geschehe, wie du willst."
Es ist ein Wunder, dass es das gibt: Mütter, die kämpfen. Und Menschen, die sich berühren lassen und helfen.

Matthäus 15,21ff.
Margot Käßmann, Mütter der Bibel; Verlag Herder GmbH 2010.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12937
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