SWR3 Gedanken

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Mutti Merkel - so nennen manche unsere Kanzlerin mehr oder weniger scherzhaft. Man muss ja nicht unbedingt eigene, leibliche Kinder haben, um eine Mutter zu sein.
Eine Landesmutter ist auf andere Art Mutter. Da geht es mehr um Verantwortung für andere, es geht um Sich-Einmischen für andere.
So eine Art Mutter kann auch eine Patentante sein. Eine, die ihr Patenkind positiv beeinflusst, oder eine Lehrerin, die Mut macht, etwas zu lernen und sich weiterzubilden, ja sogar eine beherzte Passantin kann Mutter sein, wenn sie in einer gefährlichen Situation eingreift und Zivilcourage beweist.
Politikerinnen sind oft keine leiblichen Mütter, weil sie Beruf und Familiengründung nicht vereinbaren konnten. Aber dennoch kennen und zeigen sie Mütterlichkeit im Sinne von Verantwortung, Beherztheit und Mut. Sie greifen ein, um zu schützen, um Schaden abzuwenden, um zu fördern, zu steuern, zu gestalten.
Esther war auch so eine. Eine Mutter des Volkes, ihres Volkes. Soweit man weiß, hatte sie keine eigenen Kinder. Ihre Geschichte erzählt die Bibel. Eine kleine, wunderbare Geschichte voller Intrigen und Spannung. Es geht um ein Pogrom, man will die Juden ausrotten, vertreiben, töten. Esther ist Königin, sie ist auch Jüdin, aber ihr Mann, der König weiß davon nichts. In dieser höchsten Gefahr für sich und das jüdische Volk, wendet Esther sich an ihren Mann, den König. Sie stellt sich zu ihrer Herkunft, zu ihrem Volk, zeigt sich solidarisch. Sie schweigt nicht, um ihre eigene Haut eventuell doch noch zu retten - im Gegenteil, sie verschweigt nicht, letztendlich ja auch selbst vom Pogrom betroffen zu sein. Dazu gehört großer Mut!
Mut sich für andere einzusetzen, sich um andere zu sorgen, sich für andere einzumischen - das sind die wahren Mütter. Solche Mütter (und Väter) braucht ein Land!

Margot Käßmann, Mütter der Bibel; Verlag Herder GmbH 2010.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12933
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