Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Eine neue Woche liegt vor mir. Voller Aufgaben und Begegnungen. Ich werde angenehme Erfahrungen machen - und es wird sicher auch den einen oder anderen Ärger geben. Wie gehe ich damit um?
Eine Begegnung fällt mir wieder ein. Ein zugiger und ungemütlicher Bahnhof in Holland. Eilige Reisende hasten aneinander vorbei. Jeder ist mit sich beschäftigt, keiner schaut den anderen an. Dort suche ich die Toilette auf - und stehe vor dem Wärter: einem umwerfend fröhlichen Mann mittleren Alters. Mit unerschütterlich strahlender Laune weist er mir den Weg. Er macht noch eine lustige Bemerkung, die ich leider nicht verstehen kann - lachend versucht er es mit ein paar Brocken Deutsch, dann wendet er sich genauso fröhlich dem nächsten Reisenden zu.
Seine gute Laune steckt an. Gerade an diesem Ort hätte ich damit nicht gerechnet! Der Bahnhof ist für mich wie verwandelt. Die Zugewandtheit und Herzlichkeit des Mannes hat mir gut getan. Ein Satz von Jesus kommt mir in den Sinn: "Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt." (Joh 13,35)
Ich weiß gar nicht, ob der lustige Holländer Christ war. Doch er zeigt mir, was der Satz Jesu im Alltag bedeuten kann: Offen sein für eine menschliche Begegnung. Den anderen fröhlich entwaffnen. Ihn überraschen mit einem Verhalten, das er nicht erwartet. Kennzeichen: Liebe. Daran soll man Jesu Jünger erkennen.
Das lässt sich leicht missverstehen. Denn es bedeutet gerade nicht, dass ich alle Konflikte zudecke und meinen Ärger runterschlucke, Streit vermeide und immer nur lieb zu den anderen bin. "Liebe" ist ein sehr großes und missverständliches Wort. In unserem Alltag brauchen wir es sozusagen in kleiner Münze. Da hilft mir die Erinnerung an den fröhlichen Mann auf dem holländischen Bahnhof. Sie hilft mir, stehenzubleiben und meine Mitmenschen einmal richtig anzuschauen. Wahrzunehmen, wie es ihnen geht, was sie jetzt brauchen. Und dann etwas zu tun, was allen gut tut.
Und wie war das mit dem Ärger? Er ist schon kleiner geworden, wenn es mir gelingt, so mit meinen Mitmenschen umzugehen. Und vielleicht fällt uns jetzt gemeinsam etwas ein, wie wir unseren Streit klären können!

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