SWR2 Wort zum Tag

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Nicht geklärt sind bis heute die Umstände unter denen die junge Frau ins Koma fiel. Nach einer Schönheitsoperation hatte alles so gut ausgesehen. Aber in der folgenden Nacht wurde ihr wohl eine falsche Infusion verabreicht. Seitdem liegt sie im Koma. Die Aussichten: Schlecht, hoffnungslos. Die Frau wird wohl nie wieder aufwachen.
Ein schrecklicher Fall, aber nicht der einzige. Es wird geschätzt, dass derzeit in Deutschland mehrere tausend Menschen im Koma liegen. Häufig sind die Prognosen schlecht. Und Diskussionen keimen fast immer auf: Soll man nicht die Geräte abstellen, die Versorgung einstellen, den Patienten sterben lassen? Was ist das für ein Leben, das jemand im Koma lebt? Ist das überhaupt noch ein Mensch, der da liegt?
Ich weiß, jeder Fall ist einzigartig - und es ist sicher falsch, ganz generell über Koma-Patienten zu sprechen. Aber es gibt gute Gründe eben auch diesen Menschen immer Würde und Rechte zuzusprechen. Sie auf keinen Fall aus unserer Gesellschaft auszuschließen. Egal, wie der einzelne Fall auch liegen mag. Für mich ist ein überzeugender Grund: Gott hat den Menschen, so heißt es in der Bibel ganz am Anfang, nach seinem Ebenbild geschaffen (Gen 1,27). Das heißt: Jedem Menschen kommt Göttliches zu. In jedem Menschen bekommt Gott ein Gesicht. Auch in einem Menschen, der anscheinend nur noch körperlich in unserer Welt zu Hause ist. Auch in einem Menschen, der nichts leistet, nichts kann, nichts tut - der einfach nur da ist. Wie etwa ein Mensch im Koma. Ich weiß, dass diese religiöse Überlegung nicht jeden überzeugt. Deshalb müssen wir darum streiten. Das wollen auch die Kirchen mit ihrer jährlichen »Woche für das Leben«. Sie läuft seit diesem Wochenende. In ihr machen die Kirchen mit vielen Veranstaltungen auf Fragen rund um das menschliche Leben aufmerksam. Auch auf ein Leben, das sich ganz und gar von dem Leben unterscheidet, das viele andere Menschen leben. Nichts tun können, nichts sagen, kaum kommunizieren, so stelle ich mir mein Leben auch nicht vor. Aber was mich an der Debatte um Leben irritiert, ist, dass Leben doch ganz viele Facetten hat. Und nie ganz von mir in den Blick genommen werden kann. Ein paar dieser Facetten kenne ich selber: Als Kind war ich angewiesen auf andere, konnte alleine nicht leben. Ich habe einen behinderten Onkel, der kann viele Sachen nicht, aber auch er lebt ein Leben, sein Leben. Und schließlich: das Leben, das ich heute führe, war mir früher unvorstellbar. Und trotzdem ist es Leben. Warum also soll das Leben von Koma-Patienten kein Leben sein?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12892
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