SWR3 Gedanken

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In Rom gibt es eins. Und in Jerusalem. Ja, sogar in Moskau. Gut zwei Dutzend Kirchen nehmen für sich in Anspruch, das sogenannte letzte Gewand von Jesus Christus aufzubewahren. Als Reliquie. Als Heiligen Gegenstand.
„Na. Da hat unser Heiland aber viele Klamotten angehabt, bevor er gekreuzigt wurde" sagen Spötter.
Doch nicht nur die inflationäre Zahl ist ein Problem. Auch die Frage nach der historischen Echtheit ist meist - vorsichtig gesagt - umstritten.
Früher - im Mittelalter, da hatte es einen schwunghaften Handel mit diesen heiligen Gegenständen gegeben. Pilgerreisen, das waren die Tourismusrouten unserer Vorfahren. Seelenheil inklusive.
Denn die Leute haben geglaubt: Wenn ich so einen heiligen Gegenstand anbete, gar berühre, vielleicht mit einer kleinen Spende nachhelfe, dann erspare ich mir die Hölle - vor und nach dem Tod. Ein Ablass eben.
Für moderne Menschen ist das kaum vorstellbar. Für Evangelische gar nicht. Trotzdem. Reliquien gibt es immer noch. Und sie werden ausgestellt. Hier bei uns in Trier zum Beispiel.
Seit einigen Tagen kann sich jeder im Trierer Dom eines dieser Christus-Gewänder anschauen. Heilig-Rock-Wallfahrt - so heißt die Aktion. Oder Christuswallfahrt. So wird sie auch genannt.
Ich meine: Die Namensveränderung markiert einen Wandel im Verständnis.
Die Reliquie ist nicht mehr ein magisches Ding. Sie wird zum Symbol und Anlass, um über Grundfragen des Glaubens nachzudenken.
Und die Wallfahrt wird dann zu einem Fest, in dem man miteinander feiert: Christus führt Menschen zusammen, die einander sonst fremd blieben.
Für mich als evangelischer Christ ist es undenkbar, eine Reliquie anzubeten.
Aber das Gewand als Symbol für Jesus Christus, das ist in Ordnung. Eine gute Gelegenheit mit katholischen Christinnen und Christen darüber nachdenken: Warum ist Jesus Christus wichtig? Auch für uns heute. Denn in ihm erhält Gottes Liebe ein menschliches Gesicht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12884
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