SWR2 Wort zum Tag

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Widersprüche irritieren. Man findet sie in großer Zahl auch in der Bibel. Wer einigermaßen aufmerksam in ihr liest, stößt zwangsläufig auf sie, auch in für den Glauben wichtigen Überlieferungen. Zum Beispiel in den österlichen Geschichten vom leeren Grab, wie sie die Evangelien erzählen. Die Zahl der Frauen, die das Grab besuchen, was sie dort erleben, ihre Reaktion auf die Nachricht, Jesus sei auferstanden, und andere Details unterscheiden und widersprechen sich. Wie soll man damit umgehen?
Man muss sich sicher immer wieder klar machen, dass biblische Berichte keine historischen Protokolle sind, sondern dass sie meist durch einen langen Prozess mündlicher Überlieferung gingen. Dabei und bei ihrer schriftlichen Fixierung wurden sie von der Absicht bestimmt, Menschen in ihrer zeitgeschichtlichen Situation zum Glauben zu helfen und Glauben zu stärken. Das hat sich dann auch auf Form und Inhalt der Berichte ausgewirkt.
Dann muss man bedenken, wie sich in einer langen Geschichte Erfahrungen mit Gott verändert haben und Glaubenserkenntnisse gewachsen sind. Man kann es deutlich in der biblischen Überlieferung beobachten. Es war zum Beispiel ein langer Weg von dem „Gott der Kriege“, der die völlige Ausrottung eroberter Städte erwartet, über die prophetische Hoffnung auf das Ende aller Feindschaft und die Zeit dauerhaften Friedens bis hin zu Jesu Forderung der Feindesliebe in der Bergpredigt. Diese Entwicklung muss man bei manchen anstößigen Stellen, die anderen widersprechen, beachten. –Erkennen kann man allerdings auch, dass sich durch die biblische Überlieferung zu allen Zeiten und in unterschiedlichsten Situationen hindurch wie ein roter Faden die Erkenntnis zieht, dass sich Gott Armen, Elenden, Unterdrückten, Bedürftigen zuwendet und dass darum in der Bibel Gerechtigkeit und Barmherzigkeit zusammen gehören.
Aber wie soll man nun jeweils erkennen, worauf es in der Bibel ankommt? Wie findet man, was wahr ist und einem selbst hilft? Luther war da ganz zuversichtlich und meinte: Die Wahrheit der Bibel findet die, die lesen und suchen, was ihnen hilft. Die Bibel legt sich ihnen letztlich selbst aus. Und er hat auf einen Schlüssel hingewiesen, durch den sich die Tür öffnet, hinter der sich die Wahrheit der Bibel erschließt. Diesen „Schlüssel“ hat er genannt: „Was Christum treibet“. Gemeint ist: Was auf die Wahrheit hindrängt, die durch Christus in die Welt gekommen ist, was ihn selbst nahe bringt und mit ihm verbindet. Die Wahrheit, die durch ihn uns findet, lautet: Gott ist Liebe, eine Liebe, die keinen Menschen aufgibt und lassen will. Und: Wer von dieser Liebe erfasst ist, wird von ihr lernen und sich in seinem Leben und Handeln von ihr bestimmen lassen. https://www.kirche-im-swr.de/?m=1287
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