SWR2 Wort zum Tag

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Das glaube ich nicht, ich kann es nicht! So sagen oder denken viele Menschen, wenn sie einer Bibelstelle begegnen, die mit unserer Erfahrung der Realität schwer zusammen zu bringen ist. Vor allem die Wundergeschichten der Bibel ziehen den Zweifel auf sich. Zwar gehen die Heilungsgeschichten des Neuen Testaments, so sagen auch kritische Ausleger, wohl auf die zuverlässig bezeugte Tatsache zurück, dass Jesus Menschen geheilt hat. Schwieriger sei es aber z.B. mit den Naturwundern, so etwa mit der Geschichte von der Stillung des Sturms. Muss man das wirklich glauben?
Das Matthäusevangelium erzählt, Jesus sei in ein Boot gestiegen, um den See Genezareth zu überqueren. Und seine Jünger folgten ihm, wird ausdrücklich hinzugefügt. Auf dem See erhebt sich plötzlich ein gewaltiger Sturm, verursacht wohl durch einen der Fallwinde, wie sie dort häufig vorkommen. Die Wellen schlagen ins Boot, die Jünger fürchten sich. Jesus aber schläft. Die Jünger wecken Jesus auf, bitten ihn in ihrer Angst: Herr, hilf, wir kommen um! Jesus aber tadelt ihr schwaches Vertrauen, fragt, warum sie sich so fürchten. Dann bedroht er Wind und Wellen, und es wird ganz still.
Muss ich das wirklich glauben? Aber ist das die Frage, die man, wenn man die Geschichte verstehen will, so und zuerst stellen soll? Ob nicht eine andere Frage weiter bringt, die Frage: Warum erzählt das Evangelium diese Geschichte? Wenn man auf ihren Zusammenhang achtet, fällt etwas Bemerkenswertes auf: Der Geschichte gehen Worte Jesu an Menschen voraus, die ihm nachfolgen wollen oder die er auffordert, ihm zu folgen. Und es zeigt sich, dass es mit der Nachfolge gar nicht so leicht ist, dass sie mit Erfahrungen verbunden ist, die Menschen Angst machen. Und nach diesen Worten heißt es dann von den Jüngern, als Jesus ins Boot stieg: sie folgten ihm.
Der Erzähler der Geschichte hat offenbar auch bei seiner Geschichte an Erfahrungen gedacht, die Menschen machen, wenn sie an Jesus glauben und ihm folgen. Da gibt es, wie im Leben aller Menschen, „Stürme“, die Angst machen. Da kann man in den Stürmen den Eindruck haben, dass Gott „schläft“, sich nicht um einen kümmert. In den Stürmen kann man aber auch bitten, schreien, den scheinbar abwesenden Gott herbeirufen und erfahren, dass man nicht verlassen ist, dass man vertrauen kann, dass es wieder ganz still wird. – So verstanden, wird die Geschichte zu einem tröstlichen Gleichnis, dessen Wahrheit vielfach erfahren wurde und das einem in Stürmen helfen kann. Die zweifelnden Fragen an die Geschichte werden dann abgelöst durch die Entdeckung ihrer tröstlichen Wahrheit - für mich. – Ich glaube, bei den meisten Geschichten der Bibel kann und soll ich fragen: Was bedeutet das für mich!
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1286
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