SWR2 Wort zum Tag

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In Hausen, einem Dorf im südbadischen Wiesental, wird heute wie alle Jahre der Geburtstag des alemannischen Dichters und Kirchenmannes Johann Peter Hebel gefeiert. Der hatte dort seine Kindheit erlebt. - In einer seiner berühmten Geschichten Hebels geht es um die Auslegung der Bibel. Hebel erzählt:
Ein Bauer trifft auf dem Feld den Schulmeister seines Dorfes und fragt ihn: Habt ihr gestern nicht den Kindern erklärt: So dich jemand schlägt auf deinen rechten Backen, dem biete den anderen auch dar? Darauf der Schulmeister: So steht es im Evangelium! Darauf gibt ihm der Bauer eine Ohrfeige und gleich noch eine, denn er hatte schon lange etwas gegen den Schulmeister. Aus einiger Entfernung sieht das ein Edelmann und schickt seinen Diener, um zu erfahren, was da im Gang ist. Der erlebt, wie der Schulmeister dem Bauern auch zwei Ohrfeigen gibt und dann noch ein paar mehr – mit den Worten: Mit welchem Maß ihr messet, wird euch wieder gemessen werden. Ein voll gerüttelt und überfließend Maß wird man in euren Schoß geben. Da berichtet der Diener seinem Herrn: Es hat nichts zu bedeuten; sie legen einander nur die Heilige Schrift aus!
Hebel schmunzelte wohl, als er die Szene aufgeschrieben hat. Aber er fügte dann doch eine deutliche Kritik an: Er lässt den Edelmann den fehlenden Verstand und den Mangel an Respekt vor der Bibel beklagen.
Verstand und Respekt bei der Auslegung und Anwendung der Bibel für das Denken und Leben – das ist ein Problem, auf das man auch heute noch stößt:
Ich finde, es fehlt an Verstand, wenn man übersieht und übergeht, dass biblische Texte an ihre Zeit gebunden sind. Sie enthalten natürlich vergangene Vorstellungen von der Welt und vom Leben, die heute nicht mehr verbindlich sein können. Es sind menschliche Worte, durch die Gott aber auch heute noch zu Menschen spricht und ihnen hilft.
Ich finde, es fehlt an Respekt, wenn man beim Übersetzen und Auslegen der Bibel in ihre Texte Gedanken und Überzeugungen einträgt, die dort nicht zu finden sind? Wenn man mit Worten der Bibel eigene Vorstellungen über das Leben und Handeln der Menschen, die nicht aus der Bibel gewonnenen sind, bestätigen möchte und so die Autorität der Bibel missbraucht.
Im Zentrum der biblischen Botschaft steht Gottes Erbarmen. Wenn Menschen ihr vertrauen, wird nach Paulus ihr Denken erneuert und sie werden fähig zu prüfen, was gut ist. Vertrauen und Verstand wirken dabei zusammen und lassen finden, was Menschen hilft und dem Leben und Zusammenleben dient.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1285
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