SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Ein „ungläubiger Thomas" ist einer, der nicht glauben kann, was man ihm erzählt.
Der Ausdruck erinnert an einen Jünger von Jesus. Dem haben die anderen erzählt: Jesus ist nicht tot. Er ist auferstanden. Wir haben ihn gesehen.
Und das konnte er nicht glauben.
Den ungläubigen Thomas, den kann ich mir ziemlich gut vorstellen: Den Nörgler, der immer gerade nicht dabei ist, wenn's drauf ankommt. Und später kräuselt er die Nase und sagt:
„Das kommt mir zu unwahrscheinlich vor. Das passt mir nicht. Das glaub' ich alles nicht. Ich will Beweise!"
Einer, der nur das glaubt, was in sein Weltbild passt; der ganz allein Recht hat und alle anderen irren sich.
Als Jesus auferstanden ist und als er dann den Jüngern erschien, war Thomas nicht dabei.
Als Thomas hörte, was die anderen in seiner Abwesenheit erlebt hatten, reagierte er schroff: Kein Wort des Bedauerns.
Er mag enttäuscht gewesen sein, dass er nicht dabei war. Aber darüber hören wir in der Bibel nichts. Stattdessen verkündete er wie einen Schwur:
„Erst will ich selber die Löcher von den Nägeln an seinen Händen sehen und mit meinen Fingern fühlen. Und ich will meine Hand in die Wunde an seiner Seite legen. Sonst werde ich's nicht glauben."
Vermessen und anmaßend höre ich diese Sätze. Es war für Thomas vollkommen unwahrscheinlich, dass er seine Meinung jemals ändern würde.
Dass es möglich wäre, den Auferstandenen tatsächlich zu berühren, war für ihn völlig unvorstellbar. Und eigentlich wollte er sich das auch gar nicht vorstellen. Das könnte ja eine Veränderung in seinem Leben bewirken. „Ich werde es nicht glauben!" sagt er.
Thomas weiß genau, was Sache ist. Auferstehung - ohne mich!
Sollen sich die anderen doch für dumm verkaufen lassen. Da mache ich nicht mit!
Aber acht Tage später kam Jesus noch einmal zu den Jüngern. Und jetzt war Thomas auch da.
Würde dieser Thomas uns heute begegnen, er würde sich gewiss nicht vorstellen: „Gestatten, ich bin Thomas, der ungläubige!" sondern viel eher würde er sagen: „Ich bin Thomas, der dem Auferstandenen begegnet ist."
Und er würde uns die Geschichte seiner Verwandlung erzählen.
Verwandelt hat ihn, dass Jesus ihn nicht festgelegt hat auf seinen Unglauben, sondern ihm eine neue Chance gegeben hat.
So blieb Thomas nicht festgelegt auf seine Zweifel, seine mangelnde Erfahrung oder seine Enttäuschung. Er ließ sich verwandeln und hat sich verwandelt.
Er hat begriffen, dass es für Gott mehr Möglichkeiten gibt, als er sich das vorstellen konnte.
Und ich glaube, damit konnte er besser und zuversichtlicher leben als mit Enttäuschung und Zweifeln.

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