SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Man soll nicht verallgemeinern, habe ich gelernt. „Alle Schwaben sind sparsam." Oder  „Die Rheinhessen sind bescheiden." Wer verallgemeinert, macht es sich zu einfach. Und wird dabei niemandem gerecht. Da fällt der Einzelne schon mal hinten runter.
Mag sein, denke ich. Und dann erlebe ich, wie so eine Verallgemeinerung mir geholfen hat, im Einzelfall nicht die Fassung zu verlieren.
Das war so: Ich habe meinen Personalausweis vermisst, nachdem wir umgezogen waren.
Vorher war er noch da. Nun saß ich zwischen Kisten und Umzugskartons und hatte keine Ahnung, wo er sein konnte.
Irgendwo im vollkommenen Durcheinander ein kleines Kärtchen. Weggeräumt oder nur verlegt? Keine Ahnung. Jedenfalls -- der Ausweis war nicht mehr da. Gerade jetzt, wo ich ihn zum Ummelden brauchte.
Hektisch habe ich mit der Suche begonnen. Und mir ausgemalt, wie das weitergehen würde, wenn er nicht wieder auftaucht. Entweder müsste ich alles in diesen Kisten stundenlang durchsuchen. Oder mich gleich um einen neuen bemühen. Das eine wäre wahrscheinlich so zeitaufwändig wie das andere gewesen.
Und da kam die Verallgemeinerung: „Du bist doch auch sonst zuverlässig in solchen Sachen." Meine Freundin hat ganz gelassen reagiert. Sie kennt mich schon lange und sie weiß, dass es Dinge gibt, auf die passe ich gut auf. Ja - im Allgemeinen! Und warum sollte es heute anders sein?
Verlass dich drauf, wie es auch sonst ist!
Dieses „auch sonst" hat mir gut getan. Es ist größer als meine Hektik und ich kann einen Moment durchatmen. Eine Verallgemeinerung, die mir Vertrauen zurück gibt. Es war doch auch sonst so. Warum also nicht auch jetzt?
Genauso ist es auch mit dem Gottvertrauen, glaube ich. Davon heißt es in einem Lied: Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt, der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt. Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.
Paul Gerhard heißt der Dichter. Er lädt mich ein, zu verallgemeinern. Das große Ganze sehen anstatt die einzelne Sorge. Statt auf den Kleinkram - schau hinaus auf die wundervolle Ordnung und Schönheit der Schöpfung! Selbst die Wolken am Himmel sind ein Beispiel dafür wie Gott den Überblick behält. Und wenn er das bei den Wolken am Himmel macht, die doch so unplanbar sind und so riesengroß - dann weiß er gewiss auch, wie es für dich richtig ist.
Die Verallgemeinerung hilft, auch im Einzelnen auf Gott zu vertrauen.
Der Ausweis fand sich übrigens ein paar Tage später in einer Schublade. Da hatte ich ihn hineingelegt, damit er nicht wegkommt. Und dann hatte ich das in der Mühe des Umzugs vergessen. Im Allgemeinen kann ich mich da nämlich wirklich auf mich verlassen.

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