SWR3 Gedanken

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Meine Nachbarin ist der gastfreundlichste Mensch, den ich kenne. Egal, zu welcher Tages- und Nachtzeit man bei ihr klingelt, immer öffnet sie mit einem Lächeln die Tür - wenn diese Tür überhaupt jemals zu ist. Nie habe ich den Eindruck, ich komme ungelegen, immer fühle ich mich willkommen.
Lange war das mein Ideal von einem offenen Haus. Das wollte ich auch. Aber ehrlich gesagt, bin ich schon hin und wieder an meine Grenzen gestoßen. Wenn ich mir was vorgenommen habe und gerade dann hat es geklingelt. Dann hab ich mir schon gedacht: „Bitte jetzt nicht!" Aber diese Besuche sind dann meistens ganz besonders gewesen und nachher war ich froh, dass die Gäste vorbeigekommen sind.
Ein Satz aus meiner Lieblingsgeschichte in der Bibel heißt: „Ich muss heute in deinem Haus zu Gast sein!" Jesus sagt ihn zu einem Mann, der unbeliebt ist und verspottet wird. Erstens, weil er als Zöllner zu viel Geld von den Leuten nimmt und zweitens, weil er sehr klein ist. Ausgerechnet zu ihm sagt Jesus: „Ich muss heute bei dir zu Gast sein". Das hört sich fast nach Zwang an. Der Mann heißt Zachäus und wehrt sich seltsamerweise keine Sekunde. So kommt mit Jesus ganz neues Leben in sein Haus und in sein Leben. Zachäus begreift plötzlich, was wirklich zählt: ehrlich sein, Freunde haben, nicht nur nehmen, sondern auch mal geben. Weil Jesus sich bei Zachäus eingeladen hat, weil Zachäus Jesus getroffen hat, wandelt sich das Leben. Wenn es an meiner Haustüre unerwartet klingelt, dann ändert sich zwar nicht sofort mein ganzes Leben, aber ich kann etwas von dem frischen Wind spüren, den so ein Besuch mit sich bringt. Und das tut manchmal erstaunlich gut.

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