SWR3 Gedanken

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Meine kleine Schwester steht vor dem Kleiderschrank und kratzt sich am Kopf. „Was soll ich denn anziehen? Guck mal, ich hab einfach nichts." Der Schrank platzt aus allen Nähten. Die Sorgen meiner Schwester möchte ich mal haben. Ich kenne das schon auch, aber inzwischen muss ich immer mehr Entscheidungen treffen, die richtig Tragweite haben. Entscheidungen, die über den Tag hinaus wichtig sind: Wohin möchte ich mich beruflich entwickeln? Kann ich mir ein Auto leisten? Wo will ich leben? Das finde ich manchmal richtig unangenehm als erwachsener Mensch. Dann wünsche ich mir, einfach wieder Kind zu sein und anderen die großen Entscheidungen zu überlassen.
Und im nächsten Augenblick denke ich, wie vielen Menschen ist es gar nicht möglich, sich zu entscheiden. Vor allem, sich frei zu entscheiden. Ihr Leben ist durch die politische oder finanzielle Situation so eingeschränkt, dass gar kein Spielraum für eigene freie Entscheidungen bleibt. Das ist nicht nur in totalitären Diktaturen so, sondern auch bei uns in Deutschland. Eine Bekannte von mir hat schlicht kein Geld dafür, aus ihrer winzigen Wohnung umzuziehen.
Wenn ich sowas mitkriege, wird mir klar, dass sich frei entscheiden zu können - und seien es die noch so alltäglichsten Dinge - ein unglaublich hohes Gut ist.
Frei zu sein ist für mich unheimlich wichtig. In meiner Religion, dem Christentum finde ich viel von dieser Freiheit wieder. In der Bibel wird immer wieder deutlich, dass Gott uns Menschen den freien Willen gegeben hat. Er will mich nicht in irgendeine Richtung drängen, sondern ich kann über mich selbst bestimmen. Das bedeutet aber eben auch, dass ich die kleinen und großen Entscheidungen selbst treffen muss. Was für mich dabei sehr tröstlich ist: egal, ob ich richtig oder falsch liege mit meinen täglichen Entscheidungen, ich habe immer das Gefühl, dass Gott hinter mir steht und mich im Notfall auffängt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12823
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