SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Karsamstag ist ein stiller Tag. Es ist der Tag nach Jesu Kreuzigung und Tod; ein Tag der Grabesruhe. Wer einen Menschen verloren hat, der weiß um den Karsamstag. Es ist jener Tag, an dem ich den Atem anhalte, nicht glauben will, was da geschehen ist, dass ein Mensch, der mit mir gelebt hat, nicht mehr leben soll. Es ist, als bliebe die Zeit plötzlich stehen. Karsamstage sind einsame Tage, Tage der Klage und der Trostlosigkeit.
Würde alles tun für dich wenn
du nur lebtest!
Was hier die österreichische Dichterin Friederike Mayröcker nach dem Tod ihres Lebenspartners Ernst Jandl sagt, spiegelt den herzzerreißenden Schmerz beim Verlust des Du. Alles, was Leben miteinander bedeutet hat, hört auf. Unverlierbares ist verloren. Gefühle, Gedanken machen sich auf den Weg und finden keinen Widerhall mehr. Es gibt keine Rufweite, keine Reichweite mehr. Dieses Nie-wieder ist unbegreiflich, so unfassbar. Nichts ist mehr, wie es war. Diese Einsamkeit im Leiden, die Trauer, braucht Zeit und Raum, bis Leben, das heißt Auferstehung, erfahrbar werden kann.
Das ist nach Jesu Tod nicht anders. Auch die Jünger klagen, sind untröstlich. Trauer, Leere und Hoffnungslosigkeit bestimmen ihr Leben. Sie wollen und können nicht glauben, dass Jesus, dem sie gefolgt sind, mit dem sie ihr Leben geteilt haben, tot ist. Sie wissen nicht, wie es ohne ihn weitergehen soll.
Maria Magdalena hat nicht nur mit anderen Frauen „von ferne" die Kreuzigung miterlebt und Jesus sterben gesehen. Sie war auch bei der Grablegung anwesend, sieht wie Josef von Arimathäa Jesus ins Grab legt. Sie erfährt diese alles bestimmende Endgültigkeit.
Aushalten müssen, dass ein Mensch tot ist, das ist Karsamstag.
Niemals wieder werde ich die Stimme des Menschen hören, der mich ein halbes Leben begleitet hat, niemals wieder werde ich mit ihm die Matthäuspassion hören, niemals wieder miteinander weinen und lachen. Niemals wieder.
Dies ist für Maria Magdalena nicht anders. Sie denkt zurück, klagt und trauert. Vielleicht erhofft sie sich eine Brücke zwischen Gegenwart und Zukunft, um mit dem Menschen verbunden zu bleiben, der zu ihr gehört. Dass es diese Brücke gibt, erfährt sie am Ostermorgen.
Es gehört zur Trauerarbeit, dem Schmerz nicht zu entfliehen, ihm Raum und Zeit zu geben, damit langsam wieder neues Leben wachsen kann. Wie gut, dass auch ich weiß, dass auf Karsamstag Ostern folgt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12802
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